Un petit "Tour de France"
Auf Umwegen von Triebel nach Brest

f08_2

Nachdem es 2006 mit der Sizilientour so gut geklappt hatte [Speiche, Juli/August 2006], haben wir - Winfried Bahmann (Triebel/Vogtland) und Manfred Rahmig (Dresden), zugehörig zur Sorte Ü50 - zwei Jahre später im Mai 2008 unsere Fahrradtaschen erneut gepackt. Nach dem "Giro d'Italia" sollte es diesmal eine "Tour de France" werden.

Die Randbedingungen waren wie gehabt: Maximal 3 Wochen Zeit, Übernachtung auf Zeltplätzen, hauptsächlich Verpflegung durch den Supermarkt. Als Ziel hatten wir Brest ausgewählt, wollten natürlich aber auch am Mittelmeer und in den Pyrenäen vorbeischauen. Das Ganze sollte in etwa 2/3 sportlich und 1/3 kulturell motiviert sein.

Nach bewährter Methode - pro Etappe ein A4 Blatt - wurde die Strecke ausgearbeitet, die Campingplätze per Internet ausgewählt. Ein wesentliches Kriterium war wieder die kürzeste Entfernung. Wenngleich wir reine Freizeitradler sind, so können wir doch ein gewisses Interesse für den Straßenradsport nicht leugnen. Deshalb wurden, sozusagen als Höhepunkt, zwei Klassiker der Tour de France - der Mont Ventoux und der Col de Tourmalet - mit ins Programm eingebaut. Nicht zuletzt dadurch wurde uns sofort klar, daß es diesmal eng werden würde und, realistisch gesehen, das Ganze nur bei sehr guten Windverhältnissen zu schaffen sei. 20 Etappen (+ 1 Reservetag) erfordern in etwa 150km als durchschnittliche Etappenlänge. Deshalb erklärten wir kurzerhand die Pyrenäen als Minimalziel und deklarierten alles weitere bereits als Zugabe.

Die Tour

Frankreich ist landschaftlich relativ ausgewogen, ähnlich wie in Deutschland dominiert das Grün. Trotzdem wollen wir die Tour im folgenden in Abschnitte unterteilen.

Abschnitt 1: Vom Vogtland ins Rhonetal - die geplanten Stationen sind Geiselwind, Heidelberg, Strasbourg, Belfort, Dole, Lyon

Am 17.Mai geht es los. Diesmal ohne Publicity, eher still und heimlich, machen wir uns auf den Weg von Triebel nach Brest. Es zeigt sich schon bald, daß die Regenjacke zum wichtigsten Kleidungsstück der Tour werden könnte. Doch die tägliche Dusche hält sich vorerst in Grenzen, und am Ende des dritten Tages erreichen wir Strasbourg und sind damit in Frankreich. Nicht, daß es bis dahin nichts zu berichten gäbe - etwa die traumhafte (7km lange) Abfahrt auf der L524 nach Eberbach; die Begegnung mit einer Studentin (International Health), die demnächst für längere Zeit in Vietnam arbeiten will und zwei nassen Radfahrern anbietet ihr Bier im Trocknen zu trinken; oder die Fachsimpelei mit einem älteren Herrn in Bruchsal, dessen Torpedo-Fahrrad aus der Nachkriegszeit noch bestens in Schuß ist, und der die sinnlose Bombardierung des Schlosses am Kriegsende beklagt. Aber es soll ja um Frankreich gehen.

f08_100

Von Strasbourg nach Belfort verlassen wir die geplante Route bei Eschau, weil wir am Rhein-Rhone-Kanal einen Super-Radweg entdecken. Wir liebäugeln schon damit darauf bis Belfort zu kommen. Doch nach ca. 15km wird der Zustand immer schlechter, und wir sind schließlich froh bei Friesenheim wieder eine Asphaltstraße zu erreichen.

f08_117

Der Wind ist mit uns, linkerhand den Schwarzwald, rechts die Vogesen kommen wir gut voran. Unerwartet für uns ist Neuf-Brisach. Auf der Karte unbedeutend, erwartet uns eine Festungsstadt, die unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV von seinem Festungsbaumeister Vauban angelegt wurde und als eines der "Meisterwerke" des französischen Festungsbaus gilt. Entlang unserer Route folgen später weitere Festungen mit Belfort und Besancon.

f08_155

Die Etappe von Belfort nach Dole wird zur Schlüsseletappe. Bei Super-Rückenwind "trägt" es uns über Dole hinaus bis nach Chalon-sur-Saone. Wir fahren im Wesentlichen auf der N73. Prinzipiell kann man das jedoch nicht empfehlen, da man es teilweise mit 4-spurigen Ausbaustrecken und starkem LKW-Verkehr zu tun hat. Für uns ist es aber die Chance, wichtigen Vorsprung herauszufahren, um bei der späteren Ventoux-Etappe schon näher am Berg zu sein. Ca. 15km vor Chalong, bei Saint Maurice-en-Riviere, sehen wir Hinweisschilder auf eine Trucker-Raststätte etwas abseits rechterhand der N73. Angesichts des "Guten Vorankommens" (an diesem Tag werden es 207 km) gönnen wir uns noch eine Kaffee-Pause. Etwas verunsichert "parken" wir unsere Räder neben den 40t Sattelzügen.

f08_175

Der Wirt winkt uns herein. Es ist alles "sehr funktional" eingerichtet und wir suchen unseren Standort an der großen Europa-Karte an der Wand - und dann wird Winfried angesprochen mit: "He, Dich kenne ich!" Wir treffen einen Landsmann aus dem Vogtland, der zu DDR Zeiten einmal Arbeitskollege war und gerade mit seinem Truck in Frankreich unterwegs ist. Er meint u.a., daß Fahrradfahren auf 4 spurigen Ausbaustrecken in Frankreich generell verboten ist - auch wenn keine Verbotsschilder stehen - und er empfiehlt uns sogenannte Bis-Strecken (siehe unten). Wir glauben ihm das nicht so recht, bekommen es aber Tage später bestätigt, als uns die Polizei vor Avignon von einer 4-spurigen Straße holt (aber mit Tricolore am Gepäckträger kann einem natürlich nichts passieren und es endet mit einer freundlichen Ermahnung). Auf der D933 fahren wir links der Saone nach Lyon. Diese Route ist als Bis-Strecke gekennzeichnet und tatsächlich fast frei von LKWs. Der Wind kommt immer noch aus nördlicher Richtung. Bei der Einfahrt nach Lyon folgt Kreisverkehr auf Kreisverkehr (für Radfahrer die optimale Lösung) und man merkt, daß man nicht in Deutschland ist. Um den Vorsprung zu halten, fahren wir weiter über Vienne bis St.Clair du Rhone. Der Campingplatz liegt etwas abseits in idyllischer Umgebung.

Abschnitt 2: In Südfrankreich - die geplanten Stationen sind Bollene, Avignon, Frontignan, Carcassonne, Toulouse

f08_241

Wir halten uns an die N7 links der Rhone. Obwohl es Nationalstraße ist, hält sich der LKW-Verkehr in Grenzen. Auf dem meist vorhandenen markierten Radstreifen kommt man gut voran. Die Vegetation wird immer südlicher und in Montelimar haben wir plötzlich Gegenwind. Da wir unseren Vorsprung gehalten haben, ist Vaison-la-Romaine unser Ziel. Von dort sind es dann noch ca.12 km bis Malaucene dem Beginn des Anstiegs zum Mont Ventoux. Wir sehen erstmals Lavendelfelder (der leider noch nicht blüht) und vielerorts Bewässerungsbauten. "Riesendisteln" entpuppen sich als Artischocken. Wir sind in der Provence.

f08_272

Vor dem Mont Ventoux haben wir schon etwas Respekt. Der einsam aufragende "heilige Berg der Provence" ist mit seinen 1912m vor allem wegen seiner extremen Windverhältnisse berüchtigt. Das Wetter am "großen" Tag ist durchwachsen. Wir fahren über Malaucene die Nordwestroute im Windschatten des Berges. Mit Gepäck ist es schwer, und der kleinste Gang ist oft gerade noch ausreichend. Die Straße ist überdimensional breit und in sehr gutem Zustand. Vom Gipfel ist nichts zu sehen. Wo wir ihn vermuten sind Wolken, von Zeit zu Zeit regnet es leicht. Ab und an überholt uns ein Rennradfahrer und macht uns Mut. Aber wir lassen uns Zeit und auf 1430m Höhe genehmigen wir uns einen Espresso im Chalet Liotard. Dann geht es noch einmal durch Kiefernwald. In Erwartung der kahlen Bergkuppe finden wir uns aber plötzlich im Nebel. Bei Sichtweiten um die 10 Meter kann man den Straßenverlauf nur erahnen, zu beiden Seiten Steilhang ohne jede Vegetation, der aber überall durch hölzerne Begrenzungen gut gesichert ist. Man hört den Wind aber es dauert noch eine Weile bis er zupackt. Jetzt heißt es: Lenker festhalten und weiter. Und irgendwann - etwas unerwartet - sehen wir plötzlich einen Bus im Nebel auftauchen, daneben ein Kamerateam und ein paar Leute, die einen einsamen Radfahrer anfeuern. Der kommt von der anderen Seite und uns wird klar - wir sind oben. Wir stehen unmittelbar neben dem Observatorium, können den Turm aber nicht sehen. Flucht in den Andenkenladen zum Aufwärmen, auf den Postkarten sieht alles so schön aus.

f08_288

Nach obligatorischem Foto und längerem Aufenthalt im unterhalb liegenden Restaurant legen wir "Vollschutz" an und machen uns für die Abfahrt fertig. Draußen kommen hin und wieder immer noch Radfahrer und werden von ihren Fans im holländischen Reisebus bejubelt. Nach einem kurzen Stopp am Denkmal für Tom Simpson, der am 13.Juli 1967 bei der Tour de France kurz unterhalb des Gipfels an Erschöpfung starb, lassen wir bald die Wolkenschicht hinter uns. Und bei der Abfahrt Richtung Beduin kommen die ersten Sonnenstrahlen. Vom Gipfel haben wir nichts gesehen, aber wir wissen jetzt was mit dem "Windigen Berg" gemeint ist.

f08_296

Der Zeltplatz in Avignon liegt zentral am Ufer der Rhone und ist ein typischer Stadt-Campingplatz - es gibt schönere. Aber hier treffen wir Matthiew aus dem Südwesten Englands, der im Moment gerade neben uns im Zelt wohnt und am kommenden Mittwoch eine neue Arbeitsstelle in einem Restaurant in Avignon anfängt. Wir kommen schnell ins Gespräch und es scheint, als haben wir es mit einem echten Lebenskünstler zu tun. Ende 50, ehemals verheiratet, 2 Kinder, hatte früher eine eigene Speditionsfirma, hat schon in aller Herren Länder gearbeitet - als Klempner, Trockenbauer, Schäfer in Australien, Bankbote in Deutschland, Psychiater, ... Lebenslauf und Bewerbungspapiere immer bei der Hand zieht es ihn in südliche Gefilde. Er will jetzt Koch in Frankreich werden, wozu man aber wohl 3 Jahre Praxiserfahrung vorweisen muß. Ueberhaupt scheint Matthiew sich in rechtlichen Fragen gut auszukennen. An diesem Abend trinken wir ausnahmsweise mal eine Flasche Wein mehr, tauschen unsere Email-Adressen aus und verabreden uns in 2 Jahren "irgendwo in Spanien". Am nächsten Tag 8Uhr morgens Stadtbesichtigung in Avignon: Papstpalast, Brücke, ... (ein "Muss"). Danach beginnt es zu regnen. Und so schön der französische Süden in Camargue und Languedoc auch sein mag - wir kommen durch Tarascon, Arles, Frontignan, Sete, Agde, Beziers, Carcassonne - wenn es regnet, hat man als Radfahrer schlechte Karten.

f08_351

Trotzdem 2 Tipps: Westlich von Beziers gibt es den Kanaltunnel von Malpas, erbaut 1679 ist er der älteste Kanaltunnel der Welt, 165m lang. Er gehört zum Canal du Midi (Kanal des Südens) der beginnend in Sete über Beziers, Carcassonne, Toulouse die Garonne erreicht und somit das Mittelmeer mit dem Atlantik verbindet - hauptsächliche Bauzeit 1667 bis 1681.

f08_371

In Carcassonne befindet sich die größte und besterhaltendste mittelalterliche Festung Europas (seit 1997 Weltkulturerbe). Das meiste ist so gut erhalten, daß man fast geneigt ist, den gesamten Komplex als Nachbau zu verdächtigen. Von Carcasonne nach Toulouse haben wir wieder vorwiegend Regen. Geheimtipp: Das Dorf St-Felix-Lauragais in exponierter Höhenlage, mit zentralem überdachtem Markt, umgebenden Fachwerkhäusern und Stiftskirche aus dem 14.Jahrhundert. Der Campingplatz in Toulouse ist nahe am Flughafen. Keine Chance einen Bungalow oder Wohnwagen zu bekommen, da alle halbwegs festen Unterkünfte an Arbeiter irgendwelcher Firmen vermietet sind. Ein Trend, der fast überall festzustellen war.

Abschnitt 3: Pyrenäen und Pyrenäenvorland - die geplanten Stationen sind Lanne, Saint Justin

Lanne ist ein kleiner Ort südlich von Tarbes. Von Toulouse aus nehmen wir die D632, und hinter Saint-Lys sehen wir erstmals als breite Wand am Horizont die Pyrenäen, die Gipfel durchweg in weiß. Während wir in den letzten drei Tagen mit dem Regen gehadert haben, hat man sich in Spanien nach langer Trockenheit darüber gefreut, und in den Pyrenäen hat es nochmal geschneit. Der Anblick ist beeindruckend. Langsam kommen wir näher, müssen dafür immer öfter Pyrenäen-Ausläufer überqueren, die Gewitter sitzen uns schon wieder im Nacken. Doch in Lanne scheint wieder die Sonne. Auf dem Zeltplatz (er befindet sich außerhalb des Ortes nahe der Hauptstraße nach Lourdes) kämpft man gerade damit, das Regenwasser abzuleiten. Die Bungalows sind wieder einmal alle belegt - aber man verspricht uns einen "sicheren" Stellplatz. Hier bleiben wir ausnahmsweise 2 Tage. Morgen steht der Tourmalet auf dem Programm.

f08_438

Die Anfahrt ist lang. Wir kommen aus westlicher Richtung und bis Luz-St-Sauveur sind es fast 40km. Lourdes liegt auf dem Weg und ein Besuch der Wallfahrtsstätte ist Pflicht. Der Kommerz blüht bestens, beinahe hat man den Eindruck in Las Vegas zu sein. Aber im "Heiligen Bereich" herrscht wieder Ordnung und das Fahrrad muß berechtigterweise draußen bleiben. Auf den letzten Kilometern nach Luz-St-Sauveur fährt man entlang wilder Schluchten und obwohl wir eigentlich noch einen Espresso trinken wollten, stehen wir plötzlich schon vor dem ersten Hinweisschild der Paßstraße. Diese Schilder stehen nach jedem km und geben den verbleibenden Weg, die aktuelle Höhe sowie die verbleibende durchschnittliche Steigung an.

f08_455

Wir stopfen uns nochmal mit Kalorien voll und greifen an. Aber diesmal ohne Gepäck, bei schönstem Sonnenschein und einer beeindruckenden Landschaft ist es eher Vergnügen als Anstrengung.

Der Col de Tourmalet ist mit 2115 Metern der höchste Straßenpaß der französischen Pyrenäen und wurde 1910 als überhaupt erster Hochgebirgspaß in das Programm der Tour de France aufgenommen. Die Anfahrt von Westen ist mit Sicherheit die leichtere und durchweg mit gleichmäßiger Steigung.

f08_461

Am Paß selbst finden sich Gedenksteine für Jacques Goddet (langjähriger Direktor der Tour de France) und Jean Paul (maßgeblicher Aktivist beim straßenmässigen Ausbau der Pyrenäen). Eine Hütte mit allerlei interessanten passenden (und unpassenden) Utensilien - darunter sehr schöne Fahrräder aus der Kinderzeit des Gefährts und wunderbare Fotos - lädt zur verdienten Rast ein.

f08_464

Wir genießen noch lange den Augenblick, müssen dann aber doch los, da sich die Gewitter schon wieder formieren. Über Sainte-Marie-de-Campan (wer den Ort nicht kennt, der schaue bei Google unter "Eugene Christophe" nach) und Bagneres-de-Bigorre schließt sich der Rundkurs.

Nach St. Justin fahren wir die kürzeste Route durch vorwiegend landwirtschaftlich genutztes Terrain. Zu erwähnen ist Aire-sur-l'Adour. Diese Stadt scheint ein wichtiger Ort auf dem Jakobsweg zu sein. Ueberall in den Straßen sieht man Wanderer und alle sind wohl irgendwann über die Brücke über den Ardour gekommen.

f08_506

Als Radfahrer hat man fast etwas Mitleid mit ihnen - aber jeder sieht es halt aus seiner Sicht. Der Zeltplatz in St. Justin liegt "weitab der Zivilisation". Nachts um 1:30Uhr wird man vom "Lärm" der Nachtigall geweckt und beim Blick nach oben fällt die Orientierung schwer, weil ein Vielfaches an Sternen sichtbar ist verglichen mit dem gewohnten Anblick. Antares im Skorpion (bei uns wegen der geringeren Höhe nur schwer auszumachen) strahlt feuerrot.

Abschnitt 4: Entlang der Atlantikküste - die geplanten Stationen sind Pauillac, La Rochelle, Vertou, Douarnenez, Brest

Der Weg von St. Justin nach Pauillac ist weit, aber es gibt nördlich von St.Justin im Bereich von 30 km einfach keinen Campingplatz als Alternative um die Etappenlängen anzugleichen. Südlich von Captieux (an der D932) sehen wir später einen Rastplatz mit Toilette - als eventuelle Notlösung sicher geeignet. In Langon erreichen wir die Garonne. Das Wasser ist braun und führt jede Menge Treibgut mit sich - ein Zeichen dafür, daß in den letzten Tagen Einiges vom Himmel kam. Rechts der Garonne zwischen Langon und Cadillac ist die D10 für LKWs gesperrt und man hat eine ruhige Fahrt entlang von Weingütern.

f08_529

In Bordeaux nehmen wir - wie üblich - erst mal Kurs auf das Stadtzentrum. Rund um den zentralen Platz mit sternförmig abgehenden Straßen reiht sich Cafe an Cafe. Ein Großteil der Passanten hat afrikanische Wurzeln und alles wirkt etwas fremdländisch. Unbedingt sollte man an's linksseitige Ufer der Garonne. Auf einer riesigen langgestreckten Freifläche haben Fußgänger, Radfahrer und Inlineskater - alle gleichzeitig - ausreichend Raum. Es gibt Spielgelegenheiten für Kinder und der Blick auf die Garonne bzw. die Silhouette der Stadt in weitem Abstand ist phantastisch.

f08_551

Aber eine Gewitterfront ist bereits wieder im Anmarsch und bis Pauillac sind es noch ca. 50km. Auf halber Strecke werden wir vom Regen eingeholt, dazu kommt ein Fast-Plattfuß am Hinterrad. Nach mehrmaligem Aufpumpen retten wir uns schließlich zum Zeltplatz. Der ist vom Feinsten, aber wir können das nicht so recht genießen. Die Bungalows sind belegt. Doch uns hilft schon der komfortable Aufenthaltsraum. Am nächsten Tag das gleiche Bild. Bei strömendem Regen fahren wir durch das Haut Medoc. Von hier kommen weltberühmte Spitzenweine.

f08_567

Zum Glück sind wir zu wenig Weinkenner und können es verschmerzen, daß wir "all die Chateaus" passieren ohne einmal einzukehren. Der Straßenbelag auf der D2 ist grob und vermag die Stimmung nicht aufzubessern.

An der Fähre nach Royan hat der Regen endlich aufgehört. Sie fährt in großen Abständen und das Übersetzen über die Gironde ist mit ca. 7Euro recht teuer. Aber die Sonne kommt, die Stimmung steigt und in Rochefort stehen wir plötzlich (ohne vorher etwas davon gewußt zu haben) vor der letzten sich in Betrieb befindenden Schwebefähre Frankreichs. Ein technisches Denkmal (1898-1900) aus der großen Zeit der Stahlkonstruktionen. So etwas gibt es in Deutschland noch in Rendsburg über den Nord-Ostsee-Kanal sowie in Osten über die Oste.

f08_593

La Rochelle ist sicher eine Stadtbesichtigung wert aber wir sind spät dran und ein Kurzbesuch im historischen Hafen muß genügen. Auf dem Weg Richtung Nantes (früher Hauptstadt der Bretagne) kommen wir durch Lucon. Neben dem Dom fällt uns das Denkmal für Kardinal Richelieu auf. Der Allgemeinheit sicher zuerst aus den "Musketieren" als Graue Eminenz und Gegenspieler des Königs bekannt (und eher mit negativem Image behaftet), war Richelieu von 1606 bis 1623 Bischof von Luçon und hatte später im Staatsdienst wesentlichen Anteil an der Herausbildung der französischen Zentralmacht. Er war Gründer der Académie Française und erarbeitete deren Statuten.

Bei der Etappe von Vertou nach Carnac bekommen wir Schwierigkeiten mit unserer Route. Nach dem morgendlichen Kaffee gegenüber der Kathedrale von Nantes geht unsere Fahrt parallel zur N165 auf Nebenstraßen. Unser Problem besteht darin, daß sämtliche Ausschilderung auf die N165 zugeschnitten ist und wir stehen immer wieder vor Auffahrten zur Auto-Straße - diesmal immer perfekt beschildert. Durch einen weiträumigen Umweg kommen wir zwar wieder auf Kurs, aber der Gegenwind tut das Übrige, so daß Carnac an dem Tag nicht zu schaffen ist. Wie wählen Sarzeau als Campingplatz und haben Glück im Unglück als wir erfahren, daß die eingeplante Fähre am Port Navalo ohnehin nur in den Monaten Juli/August in Betrieb ist. Also haben wir letztlich sinnlose Kilometer gespart, müssen dafür aber umdisponieren und wählen Quimper als vorletzten Etappenort.

f08_667

Es geht durch die Bretagne. Immer wieder faszinierend ist die Überquerung von Flüssen, deren Wasserstand durch ie Gezeiten bestimmt wird, z.B bei La Roche-Bernard oder Auray. Bei den Dorf- und Stadtansichten dominieren schon seit langem strahlend weiße Häuser mit schiefergrauen Dächern. Bei richtig alten Bauten dominiert der Granit. Und auf den Straßen sind plötzlich jede Menge Rennradfahrer unterwegs, meist in höherem Alter, die uns aber stets das Hinterrad zeigen.

f08_695

Der Campingplatz in Quimper hat 4 Sterne, woher ist schwer nachzuvollziehen, aber es gibt keine Alternative. Die Ausschilderung ist für Autos gemacht und schickt den gutgläubigen Radfahrer (aus Richtung Osten kommend) in einer Art "Ortsumgehung" über die Berge. Da sollte man besser den Weg durchs Stadtzentrum nehmen.

Die letzte Etappe von Quimper nach Brest entpuppt sich schon bald als schwer. Nach Start im Regen kommen wir (eher zufällig) durch Locronan. Uns wundern schon die Reisebusse am Ortseingang und dann wird uns klar, daß das hier ein besonderer Ort sein muß. Spätmittelalterliche Kirche und die Granithäuser aus dem 16. bis 18. Jahrhundert prägen die Ansicht. Das trübe regnerische Wetter verstärkt den Eindruck einer gewissen Schaurigkeit. Der Ort war wohlhabend wegen der Segeltuchherstellung im Mittelalter und ist es wahrscheinlich heute wegen dem Tourismus. Er diente u.a. als Filmkulisse für Polanski's "Tess".

Der weitere Weg nach Brest bleibt vor allem durch Anstiege und Abfahrten in Erinnerung. Wir tasten uns auf Nebenstraßen dem Ziel entgegen und - arg verspätet im Zeitplan - erblicken wir gegen 14Uhr erstmals Brest.

f08_735

Über eine riesige Brücke, die nur noch von Fußgängern und Radfahrern benutzt wird (die noch größere, moderne Brücke verläuft parallel) erreichen wir die Stadt. Da uns der Reiseführer vorher nicht viel Appetit auf die Innenstadt gemacht hat, fahren wir am Hafen entlang. Zur Feier des Tages gibt es außer doppeltem Espresso einen Pernod in einer Hafenkneipe.

f08_733

Wir sind zwar noch nicht am Ziel - der Campingplatz befindet westlich der Stadt - aber wir haben mit dem Tag abgeschlossen. Eine optionale Zusatztour zum Pointe de Mathieu am Atlantik wäre vielleicht noch machbar, aber der Wille dazu fehlt ganz einfach. Wir radeln gelassen am Militärhafen vorbei, wo riesige Schiffsbunker zu bewundern sind, schlagen letztmalig unsere Zelte auf, lassen die Sachen in der späten Nachmittagssonne trocknen - und genießen die Ankunft.

f08_755

Am nächsten Morgen werden wir (viel zu früh, nachdem wir 20 Tage lang immer zwischen 5:30Uhr und 6Uhr aufgestanden sind) von Heinz Geier aus Tirschendorf geweckt, der uns nochmal schnell zum Pointe de Mathieu und Pointe du Corsen (dem westlichsten Punkt des französischen Festlandes) fährt und danach sicher und schnell nach Hause chaufiert - herzlichen Dank.

Radfahren in Frankreich

Abschließend einige Bemerkungen zum Radfahren in Frankreich. Das erhebt nicht Anspruch auf Allgemeingültigkeit, aber so haben wir es entlang unserer Route empfunden: Wie nicht anders zu erwarten ist auch in Frankreich der allgemeine Verkehrsteilnehmer bedeutend gelassener als in Deutschland. Der Radfahrer wird geachtet und man fährt auch längere Zeit hinterher ohne zu Hupen, wenn gefahrloses Überholen nicht möglich ist. Die vielen Kreisverkehre sind angenehm, vermeiden i.a. unnötiges Anhalten, und wenn man mal etwas die Orientierung verloren hat, fährt man halt bis zum nächsten Kreisverkehr und schaut was dort ausgeschildert ist. Die Ausschilderung selbst ist gewöhnungsbedürftig. Bei so viel Schwarz auf Weiß muß man aufpassen. Kursiv geschriebene Namen deuten auf lokale Einrichtungen, und man kann sie meist sofort ignorieren. Autobahnwegweiser sind blau, Fernwegweiser sind grün. Letztere geben aber nicht Auskunft darüber, ob man es denn letztendlich mit einer Landstraße oder Autostraße zu tun hat - das kann ärgerlich sein. Überhaupt scheint es angebracht, für knifflige Regionen mindestens eine Karte 1:200000 zu Rate zu ziehen. Und dann sind da die Bis-Strecken, z.B. "Bis Lyon": blaues Schild, schwarze Schrift gelb unterlegt. Es gibt nicht allzu viele von der Sorte, aber es gibt sie. Nach Aussage unseres Trucker-Fahrers sind es Routen, die in erster Linie für Touristen gedacht sind, aber trotzdem auf relativ kurzem Weg zum angegebenen Ziel führen und dabei weitgehend frei von LKW-Verkehr sind. Trotzdem wir bisher nirgends eine offizielle Erklärung hierfür gefunden haben, scheint das nach eigenen Erfahrungen zu stimmen. Sie sind also bestens geeignet für Radfahrer, die vorwärts kommen wollen. Die Straßen selbst waren immer asphaltiert, teils etwas grob, aber wirklich schlechte Passagen waren die Ausnahme. Radwege, wenn es denn welche gibt, sind i.a. durch Markierung von der Hauptfahrbahn getrennt. Richtig eigenständige, zur Fahrbahn parallele Radwege gab es (zum Glück) nur selten. Fährverbindungen sollte man vorher prüfen, ob sie denn überhaupt und wenn ja, zu welchen Zeiten in Betrieb sind. Die Campingplätze waren durchweg positiv, warme Dusche ist stets inbegriffen. Aber aufpassen: Toilettenpapier ist nicht immer im Service enthalten. Mit dem spontanen Mieten eines Bungalows sieht es eher schlecht aus, da insbesondere in der Nähe größerer Städte, diese von Arbeitern belegt sind. Empfehlenswert ist eine Campingplatzkarte, insbesondere wenn kurzfristige Routenänderungen anstehen. Unter www.campingqualite.com ist eine solche kostenlos anzufordern, die zur Zeit ungefähr 1000 Campingplätze für Frankreich listet. Bleibt noch die Sache mit der Sprache. Da wir alles ja recht langfristig geplant hatten, hatten wir auch Zeit uns diesbezüglich etwas vorzubereiten. Und es wirkt Wunder. Abgesehen davon, daß man uns oft ohne unser Zutun Hilfe anbot, gab es immer gleich ein Lächeln, wenn wir eingangs versuchten zu erklären, daß wir nur "un tout petit peu" (ein ganz klein wenig) Französisch verstehen.

Das Fazit

Alles in allem war es wieder eine rundum gelungene Tour, viel zu naß, aber dafür blies der Wind meist aus der richtigen Richtung. Es ist deshalb fraglich, ob die insgesamt 2911km in dem Zeitrahmen ohne weiteres wiederholbar wären. Mit dem Material hatten wir diesmal etwas Schwierigkeiten: Mehrmals Plattfuß, lockere Speichen, eingerissene Felge, abgerissener Gepäcktrager und gebrochener Ständer. Aber das meiste davon war wohl eher auf eine nachlässige Vorbereitung zurückzuführen und wird uns wohl eine Lehre sein.

Wer manches noch genauer wissen will, kann sich an oldi@tour-d-europe.de wenden.

Manfred Rahmig