Mongolei Tour 2016

Am zweiten Tag war der Zahn gezogen. Das wird so nichts. Wir müssen unseren Plan überarbeiten. Die Gegend um Terelj ist bergig, und die Wege sind eine Herausforderung. Mit vollem Gepäck ist die Euphorie schnell verflogen. Wir fürchten um unser Material, und manchmal müssen wir schieben, weil es einfach zu steil ist. Also nehmen wir vorsorglich die Gobi aus dem Plan und gewinnen dadurch drei Reservetage.

Soviel als kleiner Schocker zum Anfang ;-)

Nun, ganz so schlimm wurde es dann doch nicht, und am Ende kamen recht ordentliche 1600 km zustande - wobei ca. 350 km Gelände dabei waren. Aber der Reihe nach.

Zur Vorgeschichte

Mongolische Flagge

Chuugii, meine Schwiegertochter, mit richtigem Namen Chunsriimyatav Ganbaatar, ist in Darkhan geboren. Das liegt etwa 300 km südöstlich von Ulaanbaatar. Bis zur nächsten Asphaltstrasse sind es knapp 100km Steppenpiste. 2013 waren wir im Rahmen der Hochzeitsfeier vor Ort - und manchmal lässt man sich im "jugendlichen Leichtsinn" oder in euphorischer Stimmung zu Sprüchen hinreißen, die man vielleicht lieber noch etwas für sich behalten sollte: "2024 fahre ich mit dem Fahrrad von Dresden nach Ulaanbaatar". Dass man gesundheitlich noch dazu in der Lage ist, mal vorausgesetzt, bedarf es doch einiger Überlegungen, und es ist ratsam, erst einmal einen Testballon zu starten. Genau das sollte die Radtour 2016 werden. Zwei Jahre sind seit der letzten großen Tour wieder vergangen, und außerdem haben wir, Winfried Bahmann (60, Triebel) und Manfred Rahmig (58, Dresden) 10jähriges Jubiläum. Denn alles begann 2006 mit der Fahrt nach Sizilien.

Darkhan Uul

Start ist diesmal nicht in Triebel, sondern wir fliegen von Berlin nach Ulaanbaatar und versuchen von dort aus, die Mongolei radfahrerisch zu erkunden. Da wir von Natur aus keine Weltenbummler und Globetrotter sind, sondern eher zur Kategorie "braver deutscher Staatsbürger" gehören, der immer irgendwie nur begrenzt Zeit hat und auch immer einen Plan braucht, um etwas anzugehen, wird das Unternehmen etwas kompliziert. Denn "Planung" und "Mongolei" passen nicht so recht zusammen - das steht in jedem Reiseführer.

Natürlich könnte man sich ein Begleitfahrzeug und einen Dolmetscher mieten, und alles wäre geregelt, aber das ist es gerade nicht, was wir wollen. Trotzdem haben wir ein paar günstige Voraussetzungen, die das Vorhaben berechenbar machen:
(1) Für den Notfall ist Hilfe vor Ort möglich. Der Navigator ist zur gleichen Zeit mit der Familie bei den Schwiegereltern und könnte telefonisch (sofern Empfang ist) kontaktiert werden.
(2) Die geplante Route ist zum großen Teil bereits bekannt, da ich 2013 (als Urlauber im klimatisierten Geländewagen) schon einmal in der Mongolei unterwegs war.
(3) Es ist lange genug Zeit sich sprachlich vorzubereiten. Die Fähigkeiten sollten ausreichen, um mit den alltäglichen Herausforderungen (Übernachtung organisieren, Lebensmittel beschaffen, ...) klar zu kommen.
(4) Und dann gibt es ja noch GPS, so dass man eigentlich immer weiß, wo man denn gerade ist. Die Stromversorgung muss natürlich gewährleistet sein, aber das sollte für einen Zeitraum von drei Wochen auch kein Problem darstellen.

Dann war da noch die Idee vom dritten Mann. Bisher haben wir ja fast alle großen Touren (außer Istanbul) als Duo bestritten. Sollte man in eine missliche Lage kommen, so wäre man zu dritt sicher flexibler, wenn es darum geht, Hilfe zu organisieren. Noch vor Weihnachten 2015 war dann klar, dass diesmal Christian Lattermann (49, Dresden) die alten Herren unterstützen wird.

Die Vorbereitung

Geplante Route

Der Plan war natürlich schon ein Jahr vorfristig fertig. Das ist immer so - irgendwie lässt es einem keine Ruhe, bis das letzte Detail der Route geklärt ist. Die Mongolei ist etwa 4.5 mal größer als Deutschland. Man kann also keineswegs davon reden, die Mongolei zu bereisen. Es geht in erster Linie um die etwas weitere Umgebung der Hauptstadt. Da bietet es sich an, einfach ein paar Schleifen in alle Himmelsrichtungen zu fahren. Pflichtstationen sind Kharkhorin (unter Chinggis Khaan die ehemalige alte Hauptstadt Karakorum) im Westen, Terelj im grünen Norden und Ikh Gazarin Chuluu (übersetzt: großer Ort der Steine) im Süden, in der Gobi. Alles Stationen, wo ich 2013 bereits einmal als gewöhnlicher Tourist war.

Dann müssen wir unbedingt noch in Darkhan vorbei schauen, die Schwiegereltern meines Sohnes besuchen. Und dann wäre es natürlich noch schön, wenn zu dieser Zeit in Darkhan gerade das Naadam Fest stattfinden würde. Für drei Wochen ist das ein volles Programm, und ich ärgere mich, mir 2013 die Qualität der Steppenpisten nicht genauer unter dem Aspekt Radfahren angesehen zu haben. Aber was mir noch in Erinnerung ist: Man hat oft die Qual der Wahl der richtigen Spur, der man folgen sollte. Ein Navi muss also sein, auch wenn es nur zur eigenen Beruhigung dient. Und wenn man das dann hat, kann man die geplanten Etappen auch als Routen bereits vorgeben. Damit wird alles noch einfacher.

Ein ganz wichtiger Faktor ist die Sprache. Wir wollen es ja ohne Dolmetscher und Begleitfahrzeug schaffen. Die Erfahrung von 2013 hat gezeigt: Mit Englisch kommt man nicht weit - und auch auf Russisch kann man sich nicht verlassen. Stöbert man im Internet, so ist es schwierig einen Mongolisch-Kurs ausfindig zu machen: Mein Einstieg war "Kleiner Mongolisch-Kurs" von Paul Metzler und Enkhzaya Eldevdorj. Später habe ich mich vorwiegend auf "Gateway To Mongolian" von D.Baasanjav & M.Solongo verlassen, ein Mitbringsel aus der Mongolei 2013. Wichtig ist, immer Hörbeispiele zur Hand zu haben, da die Schrift zwar kyrillisch ist, die Aussprache aber so gut wie nichts mit dem Russischen zu tun hat. Für Rückfragen hatte ich ja noch Chuugii, meine Schwiegertochter.

Seit 2013 kann man als deutscher Staatsbürger die Mongolei bis zu 30 Tage ohne Visa bereisen. Man braucht dann noch einen Flug - möglichst ohne Umsteigen, da ja die Fahrräder auch da sein müssen. Von Berlin nach Ulaanbaatar kann man mit der mongolischen Fluggesellschaft "MIAT"fliegen. Zur Zeit gibt es eine Zwischenlandung in Moskau, die gesamte Flugdauer beträgt damit ca. 9 Stunden. Der Zeitunterschied Mongolei - Deutschland ist +7 Stunden. Die Fahrräder wollten wir mitnehmen. Das ist zwar eine relativ teure Angelegenheit, aber wenn schon, dann sollte auch das eigene Gefährt dabei sein. Der Rest der Vorbereitung war das Übliche, das schenken wir uns an dieser Stelle. Für Informationen zur Mongolei sei auf "Wikipedia" und "www.mongolei.de" verwiesen.

Um etwas Struktur in den Bericht zu bekommen, habe ich ihn einfach geografisch unterteilt. Beginnend mit Ulaanbaatar folgen der Norden, der Westen und der Süden.

Ulaanbaatar

Fahrradkisten

Am 2.7.2016 ist es soweit. Wir stehen mit unseren drei Kisten im Terminal C vom Flughafen Berlin/Tegel. Die Dame am Schalter denkt wir hätten Flachbildschirme als Sperrgepäck. Soweit ist alles im grünen Bereich. Ein bisschen aufgeregt sind wir schon, aber es gibt ja jemanden, der uns vor Ort empfangen wird. Der Navigator ist mit Familie schon drei Tage eher in der Mongolei eingetroffen. Wir fliegen wieder mal mit "Chinggis Khaan", so heißt die Boeing 767-300 ER der MIAT, die 2013 in Dienst gestellt wurde und scheinbar speziell für Berlin - Ulaanbaatar zuständig ist. Die Positionsanzeige für die Fluggäste ist diesmal leider kaputt, aber das Unterhaltungsprogramm funktioniert, die Verpflegung ist auch OK, und nach kurzer Nacht landen wir gegen 7:30 Uhr in der mongolischen Hauptstadt. Das Empfangskomitee steht bereit. Die Fahrräder haben den Flug gut überstanden und sind wieder zusammengebaut, die Kisten in der Gepäckaufbewahrung deponiert - alles fertig zum Ankunftsfoto.

Ankunft in Ulaanbaatar

Was wir noch brauchen ist ein "mongolisches Handy", welches das G-Mobile Netz unterstützt. G-Mobile ist nach Aussage der Einheimischen das Netz mit der größtmöglichen Abdeckung. Das bekommen wir dann heute Abend, wenn wir uns nochmal mit allen im Hotel Mongolia in Gachuurt treffen. Der Navigator mit Familie ist wieder weg, jetzt sind wir erst einmal auf uns allein gestellt.

Straße vom Flughafen

Das erste was auffällt im Vergleich zu 2013: Man hat eine große 6-spurige Straße vom Flughafen Richtung Stadtzentrum gebaut. War die Fahrt mit dem Auto 2013 schon das erste Abenteuer, so hat man jetzt als Radfahrer seine eigene Spur, da sich der Gesamtverkehr doch in Grenzen hält und noch ausreichend Platz für alle da ist.

Als "Reiseleiter" habe ich bezüglich Ulaanbaater folgendes Programm vorgesehen:
1. Zaisan-Hügel
2. Sukhbaatar Platz und Parlament
3. Gandan-Kloster
4. Lebensmittel beschaffen und ins Camp nach Gachuurt fahren.

Blick vom Zaisan-Hügel

Ich spare mir jetzt mal die Beschreibung der Sehenswürdigkeiten. Das kann man überall nachlesen. Vielleicht nur soviel: Vom Zaisan-Hügel hat man einen phantastischen Blick auf Ulaanbaatar (übersetzt "Roter Recke"). Oft spricht man einfach von UB. Bis 1924 war die Stadt den Europäern als Urga bekannt. Die ersten großen Häuser im europäischen Stil entstanden in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Von dieser späten Entwicklung ist heute eigentlich nichts mehr zu spüren. Großstadt ist eben Großstadt. Für uns gibt es noch keine wesentlichen Unterschiede, das ist alles relativ vertraut. Heute leben im Großraum UB ca. 1.3 Millionen Menschen, fast die Hälfte aller Einwohner der Mongolei. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt -2 Grad Celsis. Damit ist Ulaanbaatar die kälteste Hauptstadt der Welt.

Aber heute ist es warm. Auch der Einkauf im Nomin-Supermarkt funktioniert, und wir bekommen schon mal den ganz normalen Wahnsinn auf dem Narnii Zam (einer der beiden Hauptverkehrsadern in Ost-West-Richtung) zu spüren - wir stehen im Stau.

Stau

Am Wochenende dürfen alle fahren, Montag bis Freitag geht es nach Nummernschild - so das jedes Fahrzeug einmal in der Woche an einem Tag aussetzen muss. Ursache des Staus ist eine Kreuzung, bei der der Verkehr von der Polizei per Hand geregelt wird. Irgendwie hat unsere Richtung immer das Nachsehen. Alle anderen bekommen wesentlich öfter freie Fahrt. Allmählich macht sich auf unserer Seite der Unmut breit, und es beginnt ein Hupkonzert, das eindeutig an die Adresse der Polizei gerichtet ist. Es dauert auch nicht lange, dann gibt man nach.

Abendessen im Hotel Mongolia

Am Abend treffen wir uns nochmal im Hotel Mongolia zum Abendessen. Wir haben nebenan eine Jurte - mongolisch heißt das Ger - bezogen. Chuugii's Onkel, Buyan, überlässt uns ein mongoleitaugliches Handy. Ab morgen sind wir dann auf uns allein gestellt.

Im "Norden" - nördlich von UB

Nördlich von Ulaanbaatar liegt das Khentii-Gebirge. Hier ist es grün und es wachsen auch richtige Bäume. Das Highlight ist der Gorkhi Terelj National Park. Die erste richtige Etappe ist zum Eingewöhnen, ca. 50 km lang - es ist Neuland. Wir nähern uns Terelj von Westen und es geht ins Gelände. Wenn man ein Navi hat, dann sollte man ab und zu auch mal darauf schauen. Aber ich bin mir so sicher, dass es links durch das Tal gehen muss.

Schlechte Straße

Wir biegen ab und kommen auf die vielleicht schlechteste "Straße" der gesamten Tour. Es ist eine angelegte Schotterpiste, die aber soweit verschlissen ist, dass die Steine wie Felsspitzen aus dem verbliebenen Verbund ragen. Ernüchterung macht sich breit. Das werden die Reifen wohl nicht lange mitmachen. Und dann sehe ich, dass wir falsch sind - welch ein Glück! Also wieder drei Kilometer zurück und bis zum nächsten Tal. Die Straße ist zwar am Anfang auch nicht viel besser, aber irgendwann wechselt es in normale Steppenpiste. Das geht wieder.

Wir treffen noch eine Reisegruppe - auch Europäer, die ebenfalls nach Terelj wollen. Sie sind wie wir mit dem Fahrrad unterwegs, aber das ist im Moment im Transporter. Man fährt immer nur abschnittsweise und natürlich ohne Gepäck. Der mongolische Guide erzählt uns etwas von zwei Pässen, die da kommen werden. Oh, das wundert uns jetzt. Gibt es hier so etwas auch? Und tatsächlich. Am Ende des Tales beginnt ein Anstieg und der Weg verschwindet rechts hinter Bäumen. Und dann geht es steil bergauf.

Steiler Anstieg

Der zweite Tiefschlag heute. Im Sitzen wird es zu schwer, geht man aus dem Sattel, dreht das Hinterrad durch. Schieben ist wohl das Einfachste. Nach endlicher Schieberei ist der Owoo zu sehen. Das muss der Sattel sein. Owoo, so nennt man die aufgeschichteten Steinhaufen, die meist an besonderen Orten (z.B. Bergkuppen) zu sehen sind. Es ist die Wohnstätte der lokalen Geister. Wenn man sie gnädig stimmen will, so sollte man einen Stein dazu legen und den Owoo dreimal im Uhrzeigersinn umrunden.

Owoo

Das Ganze wiederholt sich in leicht abgeschwächter Form am zweiten Sattel. Winfried zeigt es der Jugend und schafft es ohne abzusteigen. Da wissen wir ja, wer der Kandidat für den Gesamtsieg ist. Dann geht es wieder abwärts. Vor uns Terelj. Am ersten Lebensmittelladen genehmigen wir uns eine Runde "Шaр Aиpaг", gelber Airag - eine andere Bezeichnung für Bier in der Mongolei. Und siehe da, auch unsere Konkurrenz aus dem Jeep trifft ein, aber sie sind eisern: Ein Bier steht bei ihnen nicht im Programm - oder sie haben es sich nicht verdient.

Radfahrer

Von Terelj bis zum geplanten Camp sind es noch ein paar Kilometer, aber wir haben jetzt Asphaltstraße, die nochmal kurzzeitig in Schotterpiste wechselt, als ein Bergrücken überquert werden muss. Nochmal Gelegenheit zum Schieben. Wir haben das mehrfach beobachtet: Kann sein, dass man vielleicht nicht die technischen Mittel hat, steile Anstiege zu asphaltieren und sich zwangläufig einfach für die "naturbelassene" Variante entscheidet. Aber dann ist es geschafft, und wir sind im vielleicht schönsten Camp der ganzen Tour bei Position (47.88959263, 107.42392604).

Ger Camp in Terelj

Nun - die heutige Etappe gibt etwas zu denken. Wir müssen unseren Plan überarbeiten. Das mit der Gobi wird ohne Begleitfahrzeug wohl zu riskant werden. Fahren wir also lieber auf der Asphaltstraße direkt nach Tschoir, sparen drei Tage ein und haben sie als Reserve in Hinterhand. Hier ist es schön. Neben dem Ger blüht das Edelweiß, die Felsen bilden eine prächtige Kulisse. Wir beschließen für morgen spontan einen Ruhetag.

Edelweiß

Der Ruhetag ist fahrradfrei, wir gehen wandern. Die Highlights sind Turtle Rock (der Schildkrötenfelsen) und der Tempel der Prinzessin (Kloster und Grabmahl aus dem 18.Jahrhundert). Mit Letzterem verbindet sich eine aufregende Geschichte, für die aber hier zu wenig Platz ist. Es wäre schade gewesen, wenn wir den Ruhetag nicht eingelegt hätten.

Die Abfahrt aus Terelj Richtung Nalaich ist ein Traum. Die Sonne steht noch knapp über dem Horizont und die weißen Jurten leuchten aus dem Grün entlang des Tals. Die Stimmung ist auf Höhenflug. Das heutige Ziel ist Zuunmod, das Verwaltungszentrum des Tow Aimags. Es liegt relativ zu UB genau auf der anderen Seite des Bogd Khaan Uul. Uul heisst Berg.

Reiterdenkmal

Aber zuvor müssen wir unbedingt noch zum weltgrößten Reiterdenkmal bei Tsonjin Boldog. Verfehlen kann man es nicht. Nach der Überquerung des Flusses Tuul nimmt man einfach den ersten Abzweig nach Osten und nach ca. 15 km steht es einfach so in der Landschaft. Angeblich soll man an dieser Stelle eine goldene Peitsche Chinggis Khaans gefunden haben. Wie auch immer, es ist beeindruckend. Über einem 10 m hohen Sockelgebäude erhebt sich ein 30 m hohes Reiterstandbild.

Chinggis Khaan

Feinster Edelstahl, ohne jegliche Spuren der Alterung. Seit 2008 steht es hier. Der Kopf des Pferdes ist als Kanzel ausgebaut und kann betreten werden. So steht man Auge in Auge mit dem Mann, der die Mongolischen Stämme im großen Rahmen geeint hat und so in der Lage war, ein Weltreich zu begründen. Heute wird man über das Thema Weltreich sicher etwas anders denken, aber andere Zeiten, andere Maßstäbe und andere Wertvorstellungen.

Wir müssen wieder die gleiche Straße zurück und merken schon: Der Wind hat gedreht. Wir kämpfen uns durch Nalaich, wo gerade etwas Staubsturm herrscht, halten uns Richtung Süden und biegen dann nach Westen ab. Kurz hinter Zuunmod finden wir etwas unerwartet ein kleines, aber feines Ger-Camp. Alkohol ist hier tabu, da es ein familien- und kinderorientiertes Camp ist. Aber die Chefin hat in ihrem Auto eine Flasche grusinischen Wein, den ihr ihr Mann geschenkt hat. Die opfert sie für uns. Dazu gibt es Kamelbraten. Ehrlich gesagt, ich erinnere mich nicht mehr so richtig, wie das Kamel geschmeckt hat. Auf jeden Fall gab es nichts daran auszusetzen.

Im "Westen" - westlich von UB

Regenwetter

Es geht Richtung Westen. Der Tag beginnt mit Regen. Wir tangieren nochmal Ulaanbaatar, schauen wegen frei verfügbarem Internet schnell nochmal am Flughafen vorbei und nehmen dann die Straße, die nach Westen führt. Auch hier gibt es lange Zeit drei Spuren in jede Richtung. Der Wind ist heute mal mit uns und tatsächlich kommt nach etwa 160 km Lun in Sicht.

Jerome

Und plötzlich sind wir zu viert, denn wir haben Jerome aus Frankreich eingeholt. Er ist ein richtiger Weltenbummler, das sieht man sofort, und inzwischen schon 18 Monate unterwegs. In Ulaanbaatar hat er ein Visum für Russland beantragt. Da er darauf zwei Wochen warten muss, will er zwischenzeitlich mal zum Khövsgöl Nuur fahren. Nuur heißt See. Da hat er was vor, das ist ganz schön weit weg. Da er wie wir auch eine Übernachtungsmöglichkeit sucht, bleiben wir zusammen.

Landschaft bei Lun

Hinter Lun trifft man wieder auf den Tuul-Fluss, der auch Ulaanbaatar tangiert. Hier müsste es ein Camp geben, das ich in Google Maps in Form von regelmäßig angeordneten weißen Punkten gleich hinter dem Fluss identifiziert hatte. Aber davon ist weit und breit nichts zu sehen. Wir fahren etwas ratlos auf der Straße hin und her. Dann werden ein paar Kinder auf uns aufmerksam.

Zeltaufbau in Lun

Einem von ihnen gefällt meine Mongoleifahne, und er fragt, ob er sie bekommen kann. Kann er natürlich. Im Gegenzug frage ich, ob wir hier übernachten und unser Zelt aufstellen können. Können wir natürlich. Die Eltern sind zwar im Moment nicht da, aber das Mädchen der Drei weist uns sofort einen Stellplatz zu - nicht all zu weit entfernt von ihrer Jurte. Beim Zeltaufbau haben wir fleißige Helfer.

Fahrrad im Test

Die Dusche fällt heute aus, aber wir können ja in den Fluss gehen. Man darf halt einfach nicht daran denken, dass ein paar hundert Meter flussaufwärts vielleicht auch gerade die Pferde "baden".
Wir werden am Abend noch etwas von den Kindern belagert. Sie testen unsere Fahrräder und Christian nutzt die Gelegenheit, mit ihnen Fussball zu spielen. Die Eltern sind inzwischen auch eingetroffen. Wir grüßen uns aus der Ferne. Es geht alles seinen Gang.

Am nächsten Morgen ist es Gewissheit: Deutschland hat im Fußball EM-Halbfinale gegen Frankreich verloren. Jerome ist erstaunt, wir auch - aber andere können eben auch Fußball spielen. Die Sonne ist heute von Anfang an dabei - es wird heiß werden. Unser Ziel ist Bichigt Khad (heißt soviel wie "beschriebener Fels"), auch ein Camp, in dem wir vor drei Jahren waren. Kurz nach dem Start biegen wir nach Südwesten ab. Jerome lässt es etwas ruhiger angehen und startet später. Er ist sich noch nicht ganz sicher, welchen Weg er nehmen wird.

...

Jeder hat mal seinen schwachen Tag. Mich erwischt es heute. Zunächst gibt es ein paar Wiedersehen. Als erstes überholen uns Urlauber aus Leipzig. Die hatten wir schon am Reiterdenkmal getroffen. Ihre Tour ist bald zu Ende und als Letztes steht Kharkhorin im Programm. Einige Zeit später hält das nächste Auto. Eine belgisch-mongolische Familie, die wir im Terelj Camp getroffen hatten. Auch sie sind mit gleichem Ziel unterwegs. Das Thermometer zeigt inzwischen 38 Grad - sagt man uns jedenfalls.

Und dann meldet sich bei mir allmählich der Krampf. Das gleiche Problem wie zur ersten Etappe der Stuttgart-Tour im vergangenen Jahr. Er kommt auf der ganzen Linie - Wade, Oberschenkel, Rücken, Fuß, Finger. Damals war es am nächsten Tag wieder vorbei. Das ist meine Hoffnung. Aber für den Moment sieht es düster aus. Ab und zu anhalten und ansonsten jede ruckartige Bewegung vermeiden. Es wird zur Tortur und wir kommen nicht mehr recht vom Fleck.

...

Na gut - eine Gelegenheit, mal die Mongolischkenntnisse zu testen. Bei der nächsten Jurte in Straßennähe probiere ich es. Neben dem Ger steht ein Transporter, und eine junge Frau ist auch in der Nähe. Ich frage einfach mal, ob man uns vielleicht bis zum nächsten Camp fahren könnte. Sie versteht mich anscheinend und sucht den Chef, der gerade etwas in der Jurte abruht. Nun ja - wenn wir bezahlen, dann würde er es machen. Ruck zuck ist alles aufgeladen, der Chef sitzt am Steuer, zieht erst mal die Sandalen aus - weil es sich barfuß anscheinend besser fährt - und los geht's. Nach ca. 20 km ist das Ziel erreicht. Tja, so funktioniert es auch. Für morgen rufen wir einen weiteren Ruhetag aus.

Der Ruhetag beginnt als Ruhetag, das Wetter ist auch nicht so toll. Es ist regnerisch. Aber irgendwann muss es losgehen. Christian und Winfried fahren erst einmal wieder 10 Kilometer zurück nach Rashaant, zum Einkaufen. Für mich dauert der Ruhetag noch etwas an.

Kamelreiten

In der Nähe vom Camp Bichigt Khad gibt es eine große Sanddüne und den Nationalpark Khogno Khan Uul. Wo Sand ist, sind Kamele nicht weit, und man kann Kamelreiten. Auch eine Erinnerung an 2013. Das muss natürlich mit ins Programm - mit dem Fahrrad (diesmal ohne Gepäck) ist ja alles in endlicher Zeit erreichbar. Naja, Kamelreiten ist halt Kamelreiten, da muss man nichts weiter dazu sagen.

Nationalpark Khogno Khan Uul

Der Khogno Khan Uul Nationalpark ist da schon interessanter. Bis dorthin sind es ca. 10 km Steppe und man muss einen kleinen Bergrücken überqueren. Von oben hat man einen grandiosen Blick übers Land. Vom Weg aus nicht sichtbar, öffnet sich später ein Tal, das zum Kloster Erdene Khamb führt. Auch hier waren wir vor drei Jahren. Aber für heute reicht es erst einmal. Christian macht noch den Abstecher zum Kloster, wir treffen uns später im Camp wieder.

Straßenbaustelle

Von Bichigt Khad nach Kharkhorin sind es ca. 130 km, für Asphaltstraße eigentlich eine normale Etappenlänge. Aber der Wind kommt jetzt aus Westen. Das macht es schwer. Zwischendurch eine typisch mongolische Straßenbaustelle - übrigens die einzige der Tour. 2013 gab es mehr davon. Die Sperrung erfolgt dadurch, dass man ein paar Ladungen Erdreich abkippt und entlang der Straße beidseitig einen Graben zieht. Damit sind Fahrzeuge gezwungen neben der Straße - in der Steppe ist das kein Problem - zu fahren. Mit dem Fahrrad kann man natürlich leicht die Barriere überwinden. Der verdichtete Schotter ist zumindest so gut, dass man ihn der Steppenpiste vorziehen kann.

Blick auf das Orkhon-Tal

In der Erinnerung bleibt der erste Blick ins Orkhon-Tal. Hier siedelten bereits im 8.Jahrhundert türkische Stämme, und hier hat Chinggis Khaan später seine Truppen zusammengezogen. Unter seiner Herrschaft wurde 1220 Karakorum (heute Kharkhorin) zur ersten Hauptstadt des mongolischen Reiches. Vom Fluss Orkhon ist freilich nicht viel zu sehen, er hat eher den Charakter eines etwas größeren Baches. Das muss früher anders gewesen sein. Bis Kharkhorin (was übersetzt "Schwarze Berge" heißt) sind es dann noch 16 km. Von weitem sind schon die Mauern des Erdene Zuu Klosters sichtbar.

1586 wurden hier unter dem Khalkha Fürsten Abadai drei Tempel errichtet, um drei Thankas (Rollbilder), einem Geschenk des Dalai Lama, die würdige Heimstatt zu geben. Dies gilt allgemein als der Beginn der Bekehrung der Khalkha-Mongolen zum tibetischen Buddhismus. Zuvor hatte der Mongolenfürst Altan Khaan um 1560 in einen innertibetischen Konflikt eingegriffen, die Region befriedet, und dem obersten Lama der Gelbmützen den Titel "Dalai Lama" (ozeangleicher Lehrer) verliehen.

Ankunft am Ger Camp

Aber das ist für uns im Moment weniger von Bedeutung. Um das eigentlich vorgesehene Camp (auch eine Station 2013) zu erreichen, müssten wir noch 7 km nach Norden (Richtung Flugplatz) durchs Gelände fahren. Aber der Gegenwind hat uns ganz schön zugesetzt, so dass uns etwas die Motivation fehlt, und wir einfach etwas näher Gelegenes nutzen wollen. Gleich gegenüber der Tankstelle ist ein großes Ringerdenkmal zu sehen. Daneben stehen Jurten. Es sieht zwar nicht so aus, als ob es hier Touristen gibt, aber wir probieren es einfach mal. Und wie immer antwortet man mit: "бoлнo, бoлнo" - heißt soviel wie "ja, ja - geht schon". Mit Dusche ist heute nichts, aber man bringt uns ein Plastefass mit Wasser und eine Schüssel. Und wir können sogar ein Abendessen bestellen. Also - das Wesentliche ist geregelt.

Die Schildkröte von Karakorum

Bis zum "Abendmahl" bleibt uns noch etwas Zeit, und die nutzen wir für einen Besuch des Klosters Erdene Zuu (deutsch: "Kostbarer Herr"). Es ist zum einen Museum, zum anderen herrscht seit 1990 in einem Teil des Geländes auch wieder "normaler" Klosterbetrieb. Eine Mauer mit 108 Stupas umschließt ein 400 mal 400 Meter großes Areal. Verlässt man die Anlage durch das gegenüberliegende Tor, so kommt man auf das Gebiet der alten Stadt Karakorum. Aber es ist nichts mehr davon zu sehen. Lediglich eine große steinerene Schildkröte ist noch als Zeuge aus Chinggis Khaans Zeiten übrig geblieben. Nebenan sind Ausgrabungen dokumentiert.

Der Wind hat erneut gedreht. Richtung Ögii Nuur kommt er von hinten. Es wird eine ganz entspannte Etappe werden. Bei strahlender Morgensonne durchqueren wir auf endlos langer schnurgerade Straße erneut das Orkhon-Tal. Es herrscht wieder Hochstimmung. Ein großer Teil des Orkhon-Tals zählt seit 1994 zum UNESCO Weltkultur- und Naturerbe.

Im Museum

Die relativ schmale, aber gute Asphaltstrasse wurde mit Hilfe der Türkei gebaut und führt direkt zu einer Gedenkstätte, mit der an ein Turk-Reich im 7./8. Jahrhundert erinnert wird. Hier wurden riesige Steintafeln mit alttürkischer Schrift gefunden. Die wohl ältesten weltweit. Die Ausstellung ist sehenswert. Wir sind auch nicht die einzigen Gäste.

Dann dauert es nicht mehr lange und die Asphaltstraße geht in eine Steppenpiste über. Aber der Wind ist ja heute mit uns und damit alles nur halb so wild. Allmählich wird es bergig. Als dann die steilste Stelle erklommen ist, öffnet sich der Blick auf den Ögii Nuur.

Blick auf den Ögii Nuur

Es sind vielleicht noch 6 km bis zum See. Der Anblick ist phantastisch. Unten angekommen denkt man irgendwie an eine Wasserstelle in Afrika. Hier sind alle versammelt und jeder darf nach seinen Bedürfnissen - Mensch und Vieh gleichermaßen. Aber es ist ausreichend Platz, und man kommt sich eigentlich nicht in die Quere. Wir sind zeitlich gut im Rennen, das Camp ist Ok, und wir nutzen die Chance für ein Bad im Ögii Nuur. Der See ist relativ flach, das Wasser angenehm warm. So eine Gelegenheit wird es wohl nicht noch einmal geben.

Am Ufer des Ögii Nuur

Damit ist der westlichste Punkt der Tour erreicht. Die nächsten Etappen führen in ziemlich gerader Linie wieder nach Ulaanbaatar. Als kulturelle Einlage wären die Ruinen einer Befestigungsanlage bei Dashinchilen zu erwähnen. Es gibt einen Ausstellungsraum, den man gegen ein kleines Entgelt besichtigen kann. Aber viel ist den Dokumenten nicht zu entnehmen. Der Trescher-Reiseführer sagt, dass es sich um Bauwerke der Kitan handelt, mongolischer Stämme, die vom 7.-12.Jahrhundert in dieser Gegend ihre Blütezeit hatten. Die Exaktheit der aufgeschichteten Steine ist beeindruckend. Man kann kaum glauben, dass die Ruinen so alt sein sollen.

Ruinen der Kitan

Erwähnenswert ist auch das Ger-Camp Chirimiin Tsagan Nuur. Es liegt etwas ab von den touristischen Highlights, einfach so in der Steppe. Aber uns hat es dort sehr gut gefallen. Man kümmert sich um die Touristen und auch sanitär ist alles vorbildlich in Schuss. Hier die Koordinaten: 47.94223619, 106.13449573. Das Camp hat etwas Werbung verdient.

Und dann muss unbedingt noch die Khuushuurbude bei Emeelt gewürdigt werden. Sie steht rechts an der Straße (UB stadtauswärts) unterhalb mehrerer Owoos, bevor es hinunter in den Ort geht, der eigentlich noch zum Stadtgebiet Ulaanbaatar gehört. Schon auf der Hinreise haben wir hier Halt gemacht. "Хyyшyyp" ist vielleicht das, was in Deutschland die Bockwurst oder Bratwurst ist. Es gibt die Gelegenheit hierfür so ziemlich überall. Khuuschuur sind mit Fleisch (meist Schaf) gefüllte, gebratene Teigtaschen. Sind sie gekocht, so wird es Buuz genannt. Schmeckt gut - kann man empfehlen. Hier gibt es auch Airag (vergorene Stutenmilch) - aber damit wollen wir mal noch etwas warten. Den probieren wir vorsichtshalber erst gegen Ende der Tour.

Khuushuurbude

Für den erneuten, zeitweisen Aufenthalt in Ulaanbaatar hatten wir uns auf einen Ruhetag geeinigt. Wir haben ja noch einen Reservetag. Aber dann kommt es doch anders. Mit dem Erreichen des Stadtgebiets geraten wir in die Fänge des 11.ASEM Gipfels, der am 15./16. Juli 2016 in Ulaanbaatar stattfindet. Schnell nochmal das kostenlose Internet auf dem Flughafen nutzen wird nichts. Das Gelände ist komplett abgesperrt, ohne gültiges Ticket kein Zutritt.

Warten auf ASEM

Auf der breiten Zufahrtsstraße zum Stadtzentrum werden wir dann das erste Mal aus dem Verkehr genommen. Es kommt gerade wieder eine Delegation im Konvoi. Der hat natürlich Vorrang. Beim ASEM Gipfel sind 51 Länder und zwei Organisationen vertreten - das kann ja heiter werden. Wir bleiben auf der (flussabwärts) linken Seite des Tuul. Dort gibt es gemäß Google Maps einige Ger-Camps. Irgendeins davon wollen wir nehmen. Aber das wird am Ende ein Fehlgriff, denn auf der linken Seite des Tuul liegt auch das ASEM Dorf - wie wir später mitbekommen. Das hat zur Folge, dass die Straße laufend gesperrt wird.

Im Luxus-Restaurant

Am Anfang ist alles noch ganz amüsant. Die Polizei winkt uns direkt auf das Gelände eines Luxus-Restaurants. Das ist natürlich geschlossen. Aber der Hausmeister hält die Stellung, schließt uns gleich mal das Restaurant auf und meint, wir sollten es uns bequem machen. Freilich, es gibt keine Bedienung und alles ist abgeschlossen, aber wir sind ja mit dem Gaskocher unterwegs. Es ist Zeit für einen guten Kaffee - der Tisch ist ja schon eingedeckt. Für den Herrn Hausmeister und den Herrn Polizisten machen wir gleich einen mit, was dazu führt, dass sich der bisher strenge Blick der Staatsmacht etwas aufhellt. Nach etwa einer Stunde dürfen wir wieder auf die Piste. Aber nach ca. 500 Metern ist bereits wieder Schluss und wir werden erneut aus dem Rennen genommen und in ein Ger Camp geleitet. Das ist es ja eigentlich, was wir suchen. Doch man sagt uns gleich, dass es hier keine Dusche gibt. Die Zeit reicht für ein Bier im Restaurant.

Das nächste Camp müssen wir nehmen. Am Tor steht "Closed" und die Polizei hat es okkupiert. Aber da kommt ein älterer Mann auf uns zu und winkt uns herein, schließt sofort eine Jurte auf, und schon sitzen wir auf der Bettkante - inzwischen umringt von zwei weiteren Männern, die seine Brüder sind. Einer spricht sogar ein bisschen deutsch. Wir merken schon, sie stehen alle etwas unter Strom. Aber irgendwie kommen wir aus der Situation nicht mehr heraus. Nachdem wir bezahlt haben, hat der Chef sofort einen Teil des Geldes umgesetzt und kommt mit einem Beutel Bierbüchsen und einer Flasche Wodka zurück. An der Stelle höre ich mal auf mit der Schilderung...

Warten auf ASEM

Nun - wir haben es überlebt. Aber der Ruhetag morgen ist gestrichen. Wir müssen sehen, dass wir hier wegkommen - der drei Brüder wegen und wegen dem ASEM-Gipfel. Aber man lässt uns nicht auf die Straße. Die erste Information: Um 8 Uhr wird es werden. Die zweite Information: Um 10 Uhr könnt ihr fahren. Die dritte Information: Jetzt fehlen nur noch die Portugiesen, dann ist die Straße frei. Aber die Portugiesen lassen sich scheinbar Zeit beim Frühstück. Dann endlich sind auch sie vorbeigefahren.

Im "Süden" - südlich von UB

Es geht Richtung Süden. Doch zunächst kommen wir am "ASEM-Village" vorbei, wenn auch nur in großer Entfernung. Obwohl nicht viel zu sehen ist, ein paar Fotos müssen sein. Es ist auf dem Gelände des Ski-Zentrums errichtet.

Einkauf

Bevor wir dann UB ganz verlassen, schnell noch einmal einkaufen. Wir verstauen gerade unseren Proviant, da halten zwei dunkle Limousinen. Männer in Zivil steigen aus, weisen sich als Sicherheitsdienst aus und verlangen unserer Pässe - alles ganz korrekt und freundlich. Und dann wollen sie unsere Fotos sehen, die wir vom ASEM-Gelände gemacht haben. Viel zu sehen ist ja nicht, aber trotzdem müssen wir sie löschen. Diskutieren hilft da nicht viel - sie haben halt auch ihre Anweisungen. Immerhin fragen sie uns noch, ob es uns denn in der Mongolei gefällt und wünschen uns noch eine gute Weiterfahrt. Wer weiß, vielleicht hatten sie ja Langeweile, und da kamen wir gerade recht.

Bahnlinie nach China

Es geht jetzt erst einmal wieder Richtung Nalaich - auf einer Art Plattenstraße. Dann folgt ein Stück bereits bekannter Strecke. Am Abzweig nach Zuunmod fahren wir diesmal geradeaus. Es wird etwas bergig, aber der Wind ist gut und die Temperaturen sind erträglich. Wir kommen voran. Irgendwann sind die Hügel vorbei und es ist nur noch flach. Die Vegetation wird allmählich spärlicher. Rechts der Straße verläuft die Bahnlinie nach China. Die Strecke ist eingleisig und die Züge, die wir im Laufe des Tages sehen, kann man an einer Hand abzählen.

Übernachtung an der Straße

Ein richtiges Tagesziel haben wir nicht. Bis Tschoir ist es zu weit heute. Da der Wind gut ist, wollen wir wegen des späten Starts noch so lange wie möglich fahren. Die Landschaft ist ohnehin recht eintönig. Irgendwann suchen wir uns dann einen Stellplatz für die Zelte - nicht allzu weit weg von der Straße. Es bleiben 90 Kilometer für morgen - das sollte kein Problem sein.

Tschoir

Tschoir ist die "Provinzhauptstadt" des Aimags Gobi-Sumber. Hier leben ca. 8000 Menschen. Es gibt nicht viel zu sehen. Früher, zu sozialistischen Zeiten, war es ein Standort der Sowjetarmee. Aber davon ist kaum etwas geblieben. Verkehrtechnisch hat Tschoir eine gewisse Bedeutung: Hier halten die Züge immer etwas länger. Vielleicht wird ja aufgetankt. Hinter den Bahngleisen ist ein Tanklager zu sehen. Es gibt ein Hotel in einer Plattenbausiedlung, sicher auch noch aus früherer Zeit. Aber die Zimmer sind ganz akzeptabel. Sanitär ist auf der Etage, es funktioniert.

Soldatendenkmal in Tschoir

Vor der Steppen-Etappe nach Darkhan genehmigen wir uns noch einen Ruhetag. Wir erforschen etwas das ehemalige Militärgelände. Geblieben ist ein riesiges Soldaten-Denkmal mit der Inschrift "Бсе что создано народом должно быть надежно защищено". Das hat schon was. Der Rest wurde anscheinend eingeebnet. In Tschoir selbst gibt es ein paar gute Asphaltstrassen und auch ein paar größere Gebäude. Das Schönste ist wohl der Bahnhof. Wir haben beschlossen, von Darkhan aus wieder zurück nach Tschoir zu fahren und von hier dann den Zug nach Ulaanbaatar zu nehmen. Damit liegen wir auf der sicheren Seite. Für den Tag vor dem Rückflug haben wir noch eine Einladung zum Abendessen von einem Freund von Chuugii's Onkel. Das könnte sonst alles etwas knapp werden.

Bahnhof in Tschoir

Wir schauen also schon mal nach der Zugverbindung und staunen nicht schlecht: Es fahren jeden Tag genau zwei Züge nach UB, die wir benutzen können. Die internationalen Züge Peking - UB sind scheinbar tabu. Der erste kommt aus Sajnschand, der Provinzhauptstadt des Ostgobi Aimags. Abfahrt in Tschoir ist 2:25 Uhr. Der zweite kommt von Dsamyn Uud, das liegt an der chinesischen Grenze. Abfahrt in Tschoir ist 4:28 Uhr. Tja, da werden wir wohl gleich auf dem Bahnhof übernachten müssen.

ASEM-Gipfel im Fernsehen

Noch zu erwähnen ist, das es in Tschoir relativ gute Sportstätten gibt: Eislaufbahn, Basketballplatz und einen super Fußballplatz mit Kunstrasen. Wäre interessant zu erfahren, ob es hier auch eine Fußballmannschaft gibt, und wenn ja, gegen wen die spielt. Der Rest des Tages besteht aus Skatspielen und Fernsehen. Im Programm sind Fußball-Europameisterschaft, Sumo-Ringen und ASEM-Gipfel. Alte Bekannte sind auch dabei.

Wolkenkunst

Der Weg von Tschoir nach Darkhan ist immerhin Teil der direkten Verbindung der Aimag-Zentren Tschoir (Gobi-Sumber) und Öndörkhaan (Khentii) - trotzdem gibt es nur eine Steppenpiste. Bis Darkhan sind es 95 Kilometer, und es ist einiges an Waschbrettern und Sandabschnitten dabei. Aber der Wind passt. Wir sind optimistisch, dass wir es schaffen. Außerdem will uns der Navigator mit dem Auto entgegenkommen und eventuell etwas von unserem Gepäck mitnehmen. Doch wie das so ist: Er lässt auf sich warten. Wir müssen uns wohl verfehlt haben. Doch wir sind heute gut drauf, das Wetter ist perfekt, die Landschaft großartig, die Wolken sind ein Kunstwerk.

Wiedersehen in der Steppe

Irgendwann werden wir von hinten eingeholt. Da sind sie. Wir hatten uns tatsächlich verfehlt. Die Freude ist groß. Sie haben uns Khuuschuur mitgebracht. Wir machen erst mal Picknick. Da es heute so gut läuft, geben wir auch nichts von unserem Gepäck ab. Wenn wir ohne fremde Hilfe Darkhan erreichen, dann ist ja eigentlich die Tour gelaufen. Alles weitere ist nur Zugabe.

Besuch bei Batbold

Wir fahren also weiter bis Darkhan und von dort dann noch einmal ein paar Kilometer nach Nordwesten. Bei Chuugii's Bruder Batbold treffen wir uns wieder. Er hat sich ein verlassenes Bauwerk der sowjetischen Armee zum Wohnhaus ausgebaut. Das ist noch nicht ganz fertig, aber es hat große Zimmer. Wir beziehen eins davon für zwei Nächte. Es gibt erst einmal einen Begrüßungstee und etwas Gebäck. Eine gute Gelegenheit für ein gemeinsames Foto.

Kinder

Für den Abend sind wir bei Chuugii's Eltern eingeladen, sie haben im Moment nochmal 7 Kilometer nordwestlich ihr "Lager". Dort steht ein Bauwagen. Das Ger der "Europäer" wurde daneben aufgebaut. Der Navigator mit Familie bleibt ja noch ein paar Tage länger als wir in der Mongolei. Es gibt "Cүүтaй Цaй" (Tee mit Milch), Tsuivan (selbstgemachte Nudeln mit getrocknetem Rindfleisch) und Airag (vergorene Stutenmilch), der ganz gut gelungen ist.

Stutenmelken

Es ist nicht so, dass Airag ständig vorrätig ist - es ist eher etwas für besondere Anlässe.
Dann sind natürlich auch alle Kinder und Enkel da. Es ist ein ziemliches Durcheinander. Ich bekomme einen Deel (das traditionalle Kleidungsstück der Mongolen) geschenkt, den ich natürlich sofort anziehe. Dann folgt noch eine Reitstunde für die Radfahrer. Chimgee und Ragchaa (Chuugii's Bruder) geben eine Vorführung im Stutenmelken. Wir kosten die Milch - sie schmeckt süß. Allerdings hat sie stark abführende Wirkung. Erst durch die Vergärung zu Airag wird sie für den Menschen genießbar.

Sonnenuntergang

Im Dunkeln kommen wir wieder zurück zu unserem Quartier. Morgen ist Naadam Fest in Darkhan.

Zu Naadam kurz soviel: Richtig heißt es "Eriin Gurwan Naadam", was übersetzt, "Die drei männlichen Spiele" bedeutet. Das sind Ringen, Bogenschießen und Reiten. Bei den Zuschauern genießt wohl das Reiten den höchsten Stellenwert. Die Reiter sind durchweg Kinder. Da das Ganze nicht ungefährlich ist, denn es gibt jedes Jahr auch schwere Unfälle, steht die Mongolei deswegen etwas in der Kritik bei der UNESCO.

Kinder auf Pferden

Aber wenn man die Kinder sieht - mit welcher Routine sie ihr Pferd im Griff haben - dann wären sie bestimmt die letzten, die verstehen würden, wenn man es ihnen verbietet. Es ist halt nicht nur Sportwettkampf, sondern auch gewachsenes Kulturgut. Natürlich reiten auch die Mädchen, und beim Bogenschießen sind auch die Frauen dabei. Nur das Ringen ist Männersache - nicht zuletzt wegen der etwas eigenartigen Ringerkleidung.

Mongolische Ringer

Wir warten darauf, dass der Navigator bei uns vorbeikommt. Er will uns mitnehmen. Aber die Zeit vergeht, und es passiert nichts. Irgendwann kommt die Information, dass es ein Problem gibt. In der Nacht hat sich an der Wasserstelle die Viehherde (Schafe, Ziegen) mit der Herde der "Nachbarn" vermischt - insgesamt ca. 3000 Tiere, und jetzt muss erst einmal wieder getrennt werden. Da ist Naadam zweitrangig.

Bogenschießen

Chuugii's Onkel Buyan ist auch mit Familie aus Ulaanbaatar nach Darkhan gekommen. Er nimmt uns mit. Aber wir haben eigentlich nichts verpasst. Um 11Uhr sollte die Eröffnung sein. Doch irgendwie ist sie verschoben. Es gab wohl zuwenig Interessenten: Die waren alle bereits beim ersten Pferderennen. Wir kommen gerade richtig zum Zieleinlauf. Bei den Ringern sind soeben die letzten Kämpfe der ersten Runde zu Ende.

Chuugii's Onkel hat heute auch ein Pferd am Start. Dadurch - oder warum auch immer - gehört er zu den wenigen Privilegierten, die mit dem Auto das Rennen begleiten dürfen. Wir sind natürlich dabei. Die Distanz ist 14 Kilometer. Dabei geht es aber erst einmal 14 km vom Ziel an der Start und dann im Wettkampf die 14 km wieder zurück. Das ist ein langer Kanten. Wer den Start einmal miterlebt hat und dann nebenher gefahren ist, der hat höchsten Respekt vor dem, was Pferde und Reiter da leisten. Wer nicht an der Spitze ist, reitet in einer riesigen Staubwolke.

Pferderennen

Erst wenn sich das Feld auseinandergezogen hat, wird es wieder enigermaßen normal. Nun, Buyan's Pferd und sein Reiter haben sich wacker geschlagen und einen guten Mittelplatz belegt. Gewinnen kann halt nur einer, aber jeder, der in's Ziel kommt, wird stolz darauf sein, mitgeritten zu sein.

Siegerehrung

Wir sind so eine Art Beobachter - wie es aussieht, die einzigen Nichtmongolen. Wir schauen uns alles etwas an, sitzen auch mal eine Zeit lang mit auf der Ehrentribühne und verfolgen auch die Siegerehrung. Man hat sich schon tolle Urkunden, Medaillen und Preise einfallen lassen. Die Resonanz bei der Siegerehrung ist größer als bei der Eröffnungsveranstaltung, die irgendwann mal zwischendurch mit eingeschoben wurde. Da gab es ein richtiges Kulturprogramm: Mit Pferdekopfgeige, Liedern und Volkstanz. Aber so richtig zugehört hat dabei eigentlich niemand. Schade drum.

Khorkhog

Am Abend gibt es Khorkhog. Wenn es um mongolische Küche geht, dann ist folgender Link zu empfehlen: "www.mongolfood.info/de/". Man hat für uns ein Schaf geschlachtet und traditionell mit heißen Steinen, dazu Kartoffeln und anderes Gemüse, im geschlossenen Gefäß zubereitet. Am Ende hat man eine große Schüssel Fleisch und jeder schneidet sich mit dem Messer das ab, was ihm am meisten zusagt. Das ist rustikal, aber es schmeckt vortrefflich.

Damit geht der Aufenthalt in Darkhan zu Ende. Allen, die uns rund um die Uhr betreut haben an dieser Stelle ein "Großes Dankeschön!" oder ein "Их бaяpлaлaa!", wie der Mongole sagen würde.

Am nächsten Morgen machen wir uns zeitig auf den Weg. Wir merken schon bald, dass es eine Schinderei werden wird. Der Wind kommt straff von vorn. Man kann nicht viel dagegen tun. Klein machen und treten. Zum Glück haben wir Zeit. Unser Zug fährt ja erst morgen 2:25 Uhr. So gegen 18 Uhr kommt Tschoir in Sichtweite. Jetzt sind es noch 15 km. Es werden immer mehr Spuren, aber keine davon ist wirklich brauchbar - überall Waschbretter. Es dauert nochmal 90 Minuten, bis wir die Asphaltstraße wieder erreicht haben.

Tatsächliche Route

Damit ist die Tour geschafft. Sie sieht zwar am Ende etwas anders aus als der Plan, aber das macht nichts. Der Rest ist nicht der Rede wert. Wesentlich ist, dass wir aus eigener Kraft in Darkhan waren. Man hat uns versichert, dass wir in der 93 jährigen Geschichte des Ortes die ersten sind, die mit dem Fahrrad ankamen. Wenn das nichts ist!

Wir richten uns im Bahnhof in Tschoir häuslich ein. Der Diensthabende schließt uns (für 200 Tugrik pro Person) die Toilette auf. Wir können uns waschen und auch mal rasieren. Die Fahrräder sind abzugeben, die kommen in den Gepäckwagen. Es gibt personenbezogene Fahrkarten mit Angabe Name, Wagennummer und Sitzplatz.

Warten auf den Zug

Es hätte also durchaus auch passieren können, dass wir gar nicht mitkommen. Denn der Zug ist voll und freie Plätze sind eigentlich nicht zu erkennen. Es ist so eine Art Liegewagen. Aber für uns spielt das ohnehin keine Rolle, da wir die Liegeflächen mit unserer vielen Fahrradtaschen belegen. Für die ca. 240 km Luftlinie Tschoir - Ulaanbaatar braucht unser Zug fünf Stunden. Alle Stationen werden mitgenommen, und am Ende sind wir sogar fast pünktlich. Da haben wir auch noch ein Gefühl bekommen, was es bedeutet, mit der mongolischen Eisenbahn zu fahren.

Abschlussessen

Bleibt das Abschlussessen im Seoul Club zu erwähnen. Buyan's Freund, ich kenne ihn seit der Hochzeit vor drei Jahren, hat eingeladen. Wir werden etwas überrumpelt. Es ist eine vornehme Adresse in Ulaanbaatar. Schon die fünf verschiedenen Speisekarten sind etwas ungewöhnlich: Mongolische, koreanische, chinesische, japanische und westliche Küche. Da Radfahrer in der Regel immer Hunger haben, bestellt jeder eine ordentliche Portion. Was aber dann kommt, übertrifft alle Erwartungen: Riesenportionen, dazu unzählige Schälchen mit allen möglichen Beilagen. Es hat vortrefflich geschmeckt, aber wir haben es nicht geschafft - auch schade drum. Man hätte uns einen Tipp geben sollen.

Bevor uns Buyan wieder zurück in's Camp fährt - wir sind in der Nähe des Flughafens untergekommen - schauen wir nochmal bei ihm zu Hause vorbei. Und wir müssen nochmal ran: Selbstgemachter warmer Sanddornsaft und Schwarze Johannisbeerkonfitüre. Großartig. Alles aus dem eigenen Garten, der ca. 300 km im Norden, nahe der russischen Grenze, liegt. Tja, auch sowas wächst in der Mongolei.

Rückflug

Am nächsten Morgen regnet es. Aber wir haben nur 11 km bis zum Fluhafen. Die Kisten sind noch da. Jetzt das ganze Prozedere in umgekehrter Reihenfolge. Pünktlich 10:15 Uhr hebt Chinggis Khaan ab - die Positionsanzeige funktioniert wieder. Man ist irgendwie froh, wieder im Flugzeug zu sitzen, und man freut sich innerlich, dass alles so gut geklappt hat. Es ist Zeit, die gemachten Fotos mal durchzuklicken und gedanklich ein erstes Resümee zu ziehen. Nun, ganz konnten wir unseren Plan nicht umsetzen - aber das ist nicht schlimm. Auf jeden Fall wissen wir jetzt, was es heißt, in der Mongolei Fahrrad zu fahren. Die nicht gefahrene Etappen sind ja noch auf dem Navi - vielleicht gibt es ja irgendwann einen neuen Versuch.

Radfahren in der Mongolei

Die Mongolei - ein großes und weites Land, ganz anders als das enge Europa. Kommt man mit dem Flugzeug, so steht man mit einem Schlag mittendrin. Das beeindruckt. Freilich hat diese grandiose Landschaft auch ihre Probleme. Zum einen sind es die großen Entfernungen selbst, zum anderen das extreme Klima - wenig Wasser, wochenlang Temperaturen um minus 20-30 Grad im Winter. Und dann ist da natürlich das Müllproblem - wie überall auf der Welt. Ab wann lohnt es sich, in Infrastruktur zu investieren? Ist so mancher technische Fortschritt hier überhaupt sinnvoll? Vergleiche kann man nur bedingt ziehen. Andere Umweltbedingungen bringen einfach andere Lebensformen hervor.

Ger Camp

Übernachtung

Die Mongolei ist kein Urlaubsland im klassischen Sinn. Man ist, abgesehen von einigen Ausnahmen, nicht auf Touristen eingestellt. Trotzdem sind Fremde willkommen, und wir haben nie erlebt, dass wir abgewiesen wurden bei der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Freilich darf man nicht erwarten, dass man eine Dusche vorfindet. Ein Eimer Wasser und ein Plumpsklo ist dass, was fast immer geht. In den Ger-Camps hat man in der Regel Dusche und WC. Das ist in etwa vergleichbar mit einem Campingplatz bei uns. Mit Hotels ist etwas Vorsicht geboten - am besten nicht zu viel erwarten. Das in Tschoir war ganz Ok. Das war aber auch unser einziges Hotel. Also können wir zu dem Thema eigentlich gar nichts sagen.

Verpflegung

Lebensmittelladen

Die Versorgung mit Nahrungsmitteln unterwegs ist eigentlich kein Problem. Supermärkte gibt es nur in Ulaanbaatar, kleinere Selbstbedienungsläden vielleicht in den Aimag-Zentren. Meist ist man auf die "Xүнcний Дэлгүүp", was nichts anderes als Lebensmittelladen heißt, angewiesen. Bei uns würde man "Tante Emma Laden" dazu sagen. Aber diese haben durchaus das, was gebraucht wird: Wasser, Brot, Wurst, Milch, Saure Gurken, Waffeln, Kekse... Gaspatronen... Erdnüsse, Bier. Freilich, Grünzeug ist eher rar. Aber manchmal gab es Äpfel oder auch Tomaten. Die Öffnungszeiten gehen oft bis 22 oder gar 24 Uhr, und Sonn- und Feiertage sind kein Grund zum Schließen.

Straßenverkehr

Oft liest man in Reiseberichten, dass keine Rücksicht auf Radfahrer genommen wird. Wir haben hier mit dem Schlimmsten gerechnet. Doch letztendlich muss man sagen, dass wir zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hatten, irgendwie einer Gefahr ausgesetzt zu sein. Vielleicht lag es daran, dass der Verkehr außerhalb der Hauptstadt - bezogen auf die Straßenbreite - nicht all zu dicht ist. Oft wird gehupt, um auf die Gefahr aufmerksam zu machen oder auch nur aus Sympathie. Die Überlandstraßen haben nach rechts meist ausreichend Freiraum für einen Nothalt. Auf den Steppenpisten erübrigt sich dieses Thema, da niemand an den Weg gebunden ist. Die Einheimischen haben uns noch, gerade wegen der Naadam Zeit, vor betrunkenen Autofahrern gewarnt. Aber zum Glück haben wir mit solchen keine Bekanntschaft gemacht, oder es vielleicht auch einfach nicht bemerkt.

Radweg in UB

Radwege sollte man nicht erwarten. Man hat in Ulaanbaatar zwar im Zuge des Ausbaus der Strecke Flughafen - Innenstadt so etwas wie Radwege mit angelegt, aber die wird wohl niemand jemals wirklich benutzen. Zum einen sind meist Betonsteine verlegt, was mit der Zeit hoppelig wird, zum anderen sind sie bei Einmündungen in der Regel nicht abgesenkt. Das belegt eigentlich nur die Vermutung, dass Radverkehr im Denken der Stadtplaner bis jetzt so gut wie keine Rolle spielt.

Waschbrett

Material

Am zweiten Tag haben wir es schon etwas mit der Angst zu tun bekommen. Am schlimmsten sind angelegte Schotterpisten, die sich im Laufe der Zeit teilweise aufgelöst haben, und Steine wie Keile aus dem Verbund herausragen. Danach kommen die Waschbretter, die relativ schnell in der Steppe entstehen und dann die Sandgruben. Wir dachten am Anfang, es ist nur eine Frage der Zeit, bis der erste Schaden zu verzeichnen ist. Aber dann war die Tour zu Ende, und nichts ist passiert. Also großes Lob für die Fahrradhersteller. Freilich waren wir auch nur 3 Wochen unterwegs und davon nur ca. 350 km im Gelände. Aber eben immer mit voller Last. Staub und Dreck sind natürlich ein Thema. Wir haben drei Wochen lang kontinuierlich die Kette geölt, ohne sie einmal richtig sauber zu machen. Es ging so. Keine Ahnung - vielleicht ist es ja besser, sie ab und zu richtig zu reinigen, was aber ohne notwendige Utensilien leichter gesagt als getan ist.

Hunde

Die Hunde in der Mongolei sind eher von der größeren Bauart. Erfahrungen von 2013 haben gezeigt, dass sie recht aggressiv sein können - zumindest gegenüber Autos. Ich hatte mich deshalb vorsichtshalber gegen Tollwut impfen lassen. Das wird von einigen Krankenkassen bezahlt, von anderen auch nicht. Umso überraschender dann die Erfahrungen vor Ort. Es gab absolut keine Probleme - mit einer kleinen Ausnahme, aber da hat die Hausherrin sofort für Klarheit gesorgt. Ansonsten waren alle Hunde, denen wir begegnet sind, recht verträglich - ganz anders als auf dem Balkan 2012. Allerdings gegenüber Autos haben sie wohl doch eine Abneigung. Die können sie irgendwie nicht leiden. Vielleicht auch nur, weil diese sich so schnell bewegen.

Kaffeepause

Umweltbedingungen

Wir waren im Juli unterwegs. Das ist die "Regenzeit", theoretisch jedenfalls. Das Wetter ist dann vergleichbar mit Mitteleuropa. Wir hatten 38 Grad im Schatten, den es in der Regel nicht gibt - aber das war nur ein Tag. Sonst waren die Temperaturen eher moderat. Zum fehlenden Schatten kommt der gnadenlose Wind - es gibt im allgemeinen keine natürlichen oder künstlichen Hindernisse. Und wenn er von vorn kommt, wird es schwer. Insofern ist eine Tour, wie wir sie geplant hatten, mit festem Zieldatum, eigentlich nicht der richtige Ansatz. Aber dadurch, dass wir nie weiter als 400 km von Ulaanbaatar weg waren, hätte man im Notfall sicher irgend jemanden gefunden, der einen mit dem Transporter, der sonst die Pferde fährt, wieder in die Hauptstadt chauffiert. Insofern war auch das berechenbar.

Sprache

Man sollte schon ein paar Mongolisch-Kenntnisse mitbringen. Englisch hilft i.A. nicht viel. Vielleicht kommt man bei älteren Leuten eher noch mit Russisch zu Rande. Etwas Zeit in die Sprache zu investieren, lohnt auf jeden Fall. Man ist meist überrascht, dass da jemand versucht Mongolisch zu sprechen, und man quittiert es stets mit einem Lächeln.

Das Fazit

Es ist ja nicht so, dass man in der Mongolei nicht Fahrrad fährt. In UB sieht man ab und zu jemanden mit dem Rad fahren, und auf dem Lande sind es vor allem die Kinder, die ein Fahrrad besitzen und es irgendwie traktieren. Mit vollem Gepäck unterwegs zu sein, ist aber dann doch etwas Besonderes. Trifft man in der Steppe auf Gegenverkehr, dann gibt es eigentlich nur zwei grundsätzliche Reaktionen: In der Regel wird man mit einem anerkennenden Kopfnicken gegrüßt, manchmal sogar bejubelt und angefeuert, aber manchmal trifft man auch auf einen Blick des puren Entsetzens im Sinne von: "Was sind denn das für welche? Warum nehmen die kein Auto oder wenigstens ein Pferd?" Ein Argument, dass man nicht so leicht entkräften kann.

Их бaяpлaлaa!

Als Neuankömmling ist man vom weiten Land erst einmal überwältigt. Das relativiert sich mit jedem Tag und bei Gegenwind kann das "Weite Land" auch schnell Quelle der Frustration werden. Aber am nächsten Tag hat der Wind vielleicht gedreht und die Welt sieht schon wieder viel freundlicher aus.

Das Ziel der Tour war es ja, etwas Erfahrungen zu sammeln. Kann man als Mensch ohne "Weltenbummlermentalität" in einem Land ohne gewohnte Infrastruktur längere Zeit mit dem Fahrrad unterwegs sein? Man kann. Es ist eine Frage der Einstellung. Wenn man die Vorstellungen von Komfort auf das Notwendige beschränkt und dann noch den Zeitfaktor eliminiert - es also nicht so sehr auf den genauen Plan ankommt - dann erscheint ein Tour Dresden - Ulaanbaatar durchaus als machbar. Denn was in der Mongolei funktioniert, wird auch in anderen Ländern funktionieren: Sofern man sich etwas in Bescheidenheit übt und sich selbst nicht für all zu wichtig hält, stattdessen die Umweltbedingungen und die daraus gewachsenen Lebensverhältnisse anerkennt und respektiert; wenn man nicht zuletzt versucht, etwas die Sprache des Landes zu sprechen, wird man immer Menschen finden, die einem, als Exoten, wohlwollend begegnen und gerne auch weiterhelfen.

Wer jetzt noch Genaueres wissen will, kann sich wie immer an oldi@tour-d-europe.de wenden.

Manfred Rahmig