Neuauflage Radtour Dresden - Hannover, 2017

Die Mannschaft von Tour d'Europe schwächelt etwas. Es ist lange her, dass wir eine gemeinsame Tour zustande gebracht haben, und auch für das Jahr 2017 waren die Prognosen eher schlecht. Insofern ist es notwendig, dass mal etwas für die Nachwuchsarbeit getan wird. Da gegenwärtig Quoten ein gängiges Thema sind, könnte man ja gleich bei der Gelegenheit die Frauenquote auch bei Tour d'Europe etwas mit anheben.

Lkhamsuren Kishigdavaa, meine Enkelin (12 Jahre), hat schon etwas Raderfahrungen gesammelt; oder sammeln müssen, weil der Opa beständig daran arbeitet, eine Radlerin aus ihr zu machen ;-) Warum sollte man nach Moritzburg, Nossen, Kirnitschtal, Cunewalde nicht auch mal Hannover als Ziel ausrufen, zumal ein Besuch bei meiner Wirtin, Frau Degen, in Hannover-Kirchrode schon lange Zeit überfällig ist. Innerhalb einer Woche sollte das doch zu schaffen sein. Und damit es nicht zu "langweilig" für Lkhamaa wird, nehmen wir noch Emma (11 Jahre) mit. Sie hat zwar nicht ganz so viel Raderfahrung. Aber sie ist sportlich und wird das schon meistern.

Nach einer Probeausfahrt am 1.Mai 2017 (Elberadweg bis Pillnitz und zurück) sind wir zuversichtlich, dass das Vorhaben gelingen könnte. Wenn es irgendwelche körperliche oder mentale Schwierigkeiten geben oder vielleicht sogar zur "Meuterei" kommen sollte, so können wir ja jederzeit umdrehen und mit dem Zug wieder nach Hause fahren.

Die Tour

Start

Am Sonnabend, den 8.Juli 2017 ist es soweit. Wir stehen abfahrtbereit in der Gottfried-Keller-Straße in Dresden. Emma hat aufgerüstet und kommt mit einem nagelneuen 28er Tourenrad inklusive großer neuer Radtaschen. Also am Material wird es nicht liegen, wenn wir scheitern sollten. Etwas Bauchkribbeln ist schon vorhanden. Schließlich sind wir jetzt bis kommenden Donnerstag jeden Tag auf Achse. Die Tagesetappen sind zwar alle gut geplant, aber es ist selten, dass Planung und Realität am Ende wirklich übereinstimmen. Die Wetteraussichten sind auch nicht so besonders - bei einer Nordwestströmung wird der Wind wohl meistens von vorn kommen, und wir werden mit Sicherheit nicht trocken bleiben. Aber heute scheint erst einmal die Sonne. Nach Verabschiedung durch die Eltern geht es kürzesten Weges zum Elberadweg. Das heutige Ziel ist Mühlberg - das liegt schon in Brandenburg.

Elberadweg

Die Lasten sind natürlich etwas ungleich verteilt. Alles was schwer ist - Zelte, Verpflegung, Technik - ist beim Opa gelandet. Ich hatte noch nie so ein schweres Gefährt wie heute. Wir kommen gut voran. Obwohl Wochenende ist, hält sich der Verkehr auf dem Elberadweg in Grenzen. Das ist alles bekanntes Terrain, hinter Diesbar-Seußlitz beginnt für Lkhamaa dann das Neuland.

Emma

Emma muss ab und an in den Kurven gegen den Willen ihren Rads ankämpfen, dass manchmal nicht so recht gehorchen will. Mit 33 kg Körpergewicht ist es auch nicht so einfach, das große Rad in die Spur zu zwingen. Aber sie macht das super und findet immer wieder zurück auf den Asphalt.

Insofern ist die erste Etappe Elberadweg eine gute Gelegenheit zum Einrollen. Und es wird nicht langweilig. Radfahren ohne nebenbei immer irgendetwas zu erzählen geht anscheinend nicht. Für einen Erwachsenen ist es dabei gar nicht so einfach sich in der Gedankenwelt der 11/12 Jährigen zurechtzufinden. Die Themenvielfalt ist schier unendlich. Aber Emma stellt von Anfang an klar: "Alles was auf dem Weg nach Hannover erzählt wird, bleibt auf dem Weg nach Hannover". So soll es sein.

Sonnenuntergang

Gegen 18Uhr, nach reichlich 70 km, haben wir es dann geschafft - Mühlberg ist erreicht. Sonnabendabend ist natürlich nicht viel los. Nach kurzem Fotostopp im "Zentrum", dass durch ein schönes Renaissance Rathaus glänzt, steuern wir die Wasserwanderraststation Marina an, den privat betriebenen Campingplatz der Stadt.

Phänomenalerweise sind nach den 73km plötzlich keinerlei Anzeichen von Müdigkeit mehr zu erkennen, und so geht es sofort zum Baden in den See - der Opa baut inzwischen die Zelte auf. Zum Tagesausklang bekommen wir noch einen schönen Sonnenuntergang geboten. Man spielt mit den "Einheimischen" Kindern noch etwas "Ball über die Schnur". Der Opa geht dann schließlich als erster ins "Bett" - so wird es immer sein die nächsten Tage.

Auch der Sonntag macht seinem Namen noch alle Ehre. Wir wollen heute gar nicht weit - bis kurz hinter Torgau, bis Weidenhain. Dort wohnt Bernd, ein ehemaliger Arbeitskollege von mir. Wir waren schon während der 2000er Hannover Tour dort eingekehrt, diesmal können wir sogar in Weidenhain übernachten. Da wir uns erst nachmittags in Torgau treffen wollen, können wir es heute ruhig angehen lassen. Wir müssen zunächst wieder zurück nach Sachsen.

Brücke

Zwischen Mühlberg und der B182 auf der anderen Elbseite gibt es seit 2008 eine neue Brücke - sozusagen als bundesländerübergreifende Verkehrsverbindung. Die Brücke erscheint - zumindest am Sonntagvormittag - etwas überdimensioniert, da wir die Einzigen sind, die sie gerade benutzen. Aber sie hat Dank der Windschutzvorrichtungen eine sagenhafte Akustik! Auch gestalterisch ist sie etwas Besonderes und bekam 2010 den Deutschen Brückenpreis verliehen.

Roland

Dann kommen wir durch Belgern. Der Ort, früher aus dem Radio durch Wassersstandmeldungen der Elbe bekannt, hat eine große Attraktion zu bieten: Hier steht der älteste original erhaltene Roland in Sachsen. Die Statue stammt von 1610, ist 5.25 Meter hoch und aus Postaer Sandstein. Zusammen mit dem Rainessance Rathaus, an dessen Ecke er steht, ist er ein wahres Schmuckstück und lässt sich sehr schön vom, auf dem Marktplatz gegenüberliegenden, Eiscafe aus betrachten. In Belgern nehmen wir die Fähre und landen auf der anderen Elbseite im Naturschutzgebiet "Alte Elbe Kathewitz".

Kathewitz

Von der angepriesenen Vogelwelt ist zwar nichts zu sehen, aber die Umgebung ist trotzdem interessant, da sich wohl nicht viele Menschen hierher verirren. Als Geheimtipp:
Schloss Pülswerda. Hier soll man sogar übernachten können. Das schmiedeeiserne Schlosstor muss gleich wieder zum Fotoshooting herhalten - was auch so eine Besonderheit unserer Reise ist.

Schloss Pülswerda

Man fragt sich manchmal: "Sind wir hier auf Radtour oder bei Germany's Next Top Model?"

Dann ist Torgau erreicht. Man hat einen schönen Blick auf die Stadt vom Brückenkopf auf der gegenüberliegenden Elbseite. Hier sind im Zweiten Weltkrieg, am 16.April 1945, erstmals Russen und Amerikaner offiziell aufeinandergetroffen. Die Gedenksteine errinnern daran.

Torgau

Wir treffen uns mit Bernd und Simone auf der gegenüberliegenden Seite. Bernd, als "alter Historiker", weiß eine Menge aus der Geschichte Torgaus und der Umgebung zu erzählen. Noch dazu sind wir (zufällig) im Lutherjahr gekommen. Die Kapelle von Schloss Hartenfels wurde am 5.Oktober 1544 durch Martin Luther persönlich geweiht und ist der erste evangelische Kirchenbau Deutschlands. Das soll an dieser Stelle als Lobpreisung Torgaus erst einmal genügen.

Bernd

Nur noch soviel: Man hat hier eine Menge in die Wiederherstellung investiert, und man hat es gut gemacht. Das Stadtzentrum ist vom Feinsten. Man sollte sich hier ruhig mehr als einen Tag Zeit nehmen, um in die Geschichte des Ortes und des Umlandes abzutauchen. Auf der Fahrt nach Weidenhain geht es geschichtsträchtig weiter. Gleich um die Ecke kam es am 3.November 1760, mit der Schlacht bei Torgau, zur letzten großen Schlacht des Siebenjährigen Krieges zwischen den Preussen und den Österreichern. Der Verlauf der Kämpfe ist längs des Radweges schön dokumentiert. Aber dafür fehlt uns etwas der Sinn heute. Wir sind mit den Gedanken eher schon beim geplanten Grillabend - so etwas wird es bis Hannover nicht noch einmal geben.

Simone

An der Stelle vielen Dank für die Gastfreundschaft. Die Folge davon war, dass ich mir noch mehrmals - immer wenn es darum ging das Zelt aufzubauen - anhören musste: "Ach nein, wir wollen lieber zurück zu Bernd und Simone. Da war es schön. Da hatten wir ein richtiges Bett." ;-)

Am Abend hatte es sich mit einem Gewitter schon angekündigt, und am Morgen war es dann vorbei mit dem schönen Wetter. Wegen zeitweisem Starkregen verschieben wir unseren Start erst einmal um eine Stunde.

Regen

Aber wir können nicht ewig warten. Schließlich soll es heute bis Möhlau in Sachsen-Anhalt gehen. Irgendwann lässt der Regen nach, wir machen uns auf den Weg. Doch es dauert nicht lange und der Himmel öffnet wieder seine Schleusen. Wollten wir zuerst noch etwas abseits der Straße Waldwege benutzen, so wird schnell klar: Das wird nichts. Wir müssen zurück auf den Asphalt. Die knapp 20 km bis Bad Düben absolvieren wir dann im Dauerregen auf der B183. Lkhamaa und Emma machen das großartig. Trotz fehlendem Radweg und bei recht ordentlichem Verkehr auf der Bundesstraße fahren wir stetig, ohne Zwischenstopp, und ohne darüber zu klagen, bis Bad Düben.

Netto

Dort retten wir uns in den erstbesten Supermarkt. Die Pause ist schwer verdient. Die Bäckereitheke bietet eine gute Gelegenheit den Kalorienbedarf aufzufüllen, und die ausliegenden Netto-Prospekte eignen sich gut zwischenzeitlich die Schuhe damit auszustopfen, um wenigstens etwas von dem Wasser wieder herauszubekommen. Daraufhin bekommen wir Ärger mit dem Netto Personal: Es wäre doch eine Unverschämtheit die Prospekte so zu missbrauchen, unsere Kunden wollen die haben! Wir nehmen das zur Kenntnis ohne groß zu opponieren. Prinzipiell hat sie natürlich Recht, aber da hätte man schon mal ein Auge zudrücken können.

Netto

Der Regen hat aufgehört. Wir sind ganz schön in Zeitverzug. Ab Bad Düben kann man entlang der Mulde den Radweg benutzen. Der ist allerdings nicht so toll was den Belag anbelangt. Schliesslich ist er dann wegen Bauarbeiten ganz gesperrt und wir wechseln wieder auf die Straße. Irgendwann vor Pouch, hier wird übrigens immer noch das legendäre Faltboot RZ 85 gebaut, deutet es sich an, dass das heutige Ziel wohl nicht zu schaffen ist. Die Kräfte sind etwas geschwunden und wir kommen nur noch langsam vom Fleck. Aber wir sind jetzt am Mulde-Stausee und in Schlaitz soll es einen Campingplatz geben. Allerdings ist die Ausschilderung gleich Null, selbst auf dem See-Rundweg, der sich eher zum Wandern als zum Radfahren eignet, gibt es keine Hinweise. Nach langem Umherirren, inklusive erneuter kräftiger Dusche von oben, sind wir endlich auf dem richtigen Weg. Statt Zelt nehmen wir eine Wanderhütte für 8 Personen, sicher noch aus DDR Zeiten. Die Begeisterung bei Lkhamaa und Emma hält sich in Grenzen, aber immer noch besser als das Zelt aufzubauen. Bis Wolmirsleben werden wir es morgen mit Sicherheit nicht schaffen. Da muss uns der Eisenbahn wohl etwas unter die Arme greifen. Auf jeden Fall wollen wir noch den Irrgarten in Altjeßnitz besuchen und dann fahren wir eben mit dem Zug bis Magdeburg.

Irrgarten Altjeßnitz

Zwischen 1730 und 1750 wurde der Irrgarten in Altjeßnitz angelegt. Das Labyrinth hat sich der damalige Landpfarrer Johann Peschel erdacht. Ich erinnere mich noch, dass die Anlage einmal Thema in der Sendung "Außenseiter-Spitzenreiter" war, damals noch mit Hans-Joachim Wolfram. Unter Zeitdruck sollte man nicht stehen, wenn man einen Irrgarten besucht. Aber wir haben ja einen Plan aus dem Internet dabei, und so kann ja eigentlich nichts schief gehen. Die Hecken sind schön gepflegt. Aber man sieht auch, dass es ein paar Stellen gibt, wo wahrscheinlich Besucher unter Panik mit Gewalt "abgekürzt" haben.

Sülze

Von Raguhn nach Magdeburg nehmen wir dann den Flex. Der fährt im Stundentakt. Gegen 14 Uhr sind wir in Magdeburg Hbf. Der Große Schachtsee in Wolmirsleben, liegt eigentlich näher bei Egeln Nord. Auf der Hannover-Tour im Jahr 2000 haben wir auch auf dem dortigen Campingplatz übernachtet. Vom Bahnhof in Magdeburg fahren wir erst einmal ein Stück Elberadweg, diesmal in entgegengetzter Richtung. In Salbke orientieren wir uns gen Westen. Wir sind irgendwie in die Hauptverkehrszeit geraten und es ist ungemütlich auf der Straße.

Sülze-Radweg

Doch dann sehen wir einen Hinweis auf den "Sülze-Radweg". Die "Sülze" ist ein linker Nebenbach der Elbe und ca. 20km lang. Auf der A14 ist ihr sogar ein Hinweisschild gewidmet. Der Radweg ist recht vielgestaltig, mal Schotter, mal Kopfsteinpflaster, mal Asphalt; auch geht es mal in diese mal in jene Richtung. Aber wir sind ja nicht unter Zeitdruck und unser Vorwärtskommen entspricht eher dem eines Wanderers als dem eines Radfahrers. In Langenweddingen ist dann plötzlich Schluss. Kein Schild mehr. Dafür sind wir jetzt an der neu gebauten B81 gelandet und die führt geradewegs nach Egeln-Nord - dort wo wir hinwollen. Zwar ist kein Radweg ausgewiesen, aber es gibt ein parallelen Wirtschaftsweg mit super Asphaltqualität, und es geht leicht bergab.

Cola

Da wir eine Menge Zeit auf dem Sülze Radweg verbummelt haben, ist es schon relativ spät. Die Sonne steht schon tief aber irgendwie herrscht bei meinen Mitradlern euphorische Stimmung. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass man abends 20 Uhr nicht noch große Mengen Cola trinken sollte. Jedenfalls - der Campingplatz ist schon in Sichtweite - Lkhamaa und Emma wollen in die entgegengesetzte Richtung fahren und schon ein Stück der morgigen Etappe vorwegnehmen. Was ich anfangs noch als Spaß ansehe, wird dann aber zunehmend zum Problem. Natürlich könnte man es machen. Aber es wird nicht lange dauern und die Euphorie wäre verflogen, und man müsste irgendwo campieren - ohne Dusche. Tja, jetzt müssen wir wohl mal zu Hause anrufen. Es dauert eine ganze Weile, ein Anruf allein tut es noch nicht - aber dann geben sie doch kleinbei.

Zelt

Dafür ist unser Verhältnis jetzt etwas gestört. Auf dem Campingplatz gebe ich ihnen wortlos ihr Zelt, das sie in ausreichendem Abstand, aber immerhin noch in Sichtweite, aufbauen. Hilfe ist unerwünscht, und ich habe diesmal auch keinen Lust dazu. Aber dann gibt es glücklicherweise doch noch ein "gewisse Versöhnung", denn der Opa wird doch noch mal benötigt. Zum einen hat sich eine Zecke am Bein festgebissen, zum anderen ist die Sicht im Waschraum verloren gegangen, weil sich niemand mehr an den Wasserhahn der Dusche traut, die kochend heißes Wasser versprüht.

Mittwoch, 12.Juli. So gegen 11 Uhr soll der Dauerregen einsetzen. Eigentlich stehen 73 km bis Hornburg auf dem Plan, aber das wird zu schwer, falls die Vorhersage eintrifft. Vielleicht könnten wir es ja bis Halberstadt schaffen. Von dort nehmen wir den Zug nach Salzgitter. Am Salzgittersee muss es doch einen Campingplatz oder zumindest eine andere Übernachtungsmöglichkeit geben. Außerdem könnten wir so gleich die letzte Etappe etwas entschärfen, da wir schon etwas näher an Hannover herangerückt wären. Gegen 9 Uhr brechen wir auf. Aber es dauert nicht lange und der Regen setzt ein. Wir sind auf der B81. Bis Kroppenstedt gibt es keinen Radweg. Danach ist man wenigstens von den LKWs befreit, aber der Regen bleibt. Nach zwei zwischenzeitlichen Trocknungs- und Aufwärmungsstopps erreichen wir schließlich am späten Mittag Halberstadt. Hier gibt es noch einen ordentlichen Bahnhof. Da ist es schön warm. Man leistet sich sogar noch eine Zugauskunftsschalter.

Halberstadt

Damit ist die heutige Etappe im Großen und Ganzen schon abgehakt. Allerdings gibt es noch einen kleinen Zwischenfall. Unser, in Halberstadt angekommene Zug, wird geteilt, was wir aber nicht wissen. Die eine Hälfte fährt nach Vienenburg, die andere in die entgegengesetzte Richtung. In Quedlinburg macht uns eine Frau darauf aufmerksam, dass wir in die falsche Richtung fahren - wir könnten aber umsteigen, da der Zug zurück gerade auf dem Bahnsteig gegenüber steht. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn die Bahnsteige in Quedlinburg sind alle noch von der alten Sorte. Treppe runter, Treppe wieder rauf mit 3 bepackten Fahrrädern. Ich habe mich schon damit abgefunden, dass wir wohl auf den nächsten Zug warten müssen, aber Lkhamaa und Emma blockieren einfach die Tür bis wirklich alles drin ist. Damit tragen wir zwar gerade wieder etwas dazu bei, dass die Bahn nicht pünktlich sein kann - aber bis Vienenburg kann es der Zug wieder ausgleichen.

In Salzgitter-Lebenstedt bei der Ankunft wieder Dauerregen. Bis zum Salzgittersee ist es nicht weit. Er ist eigentlich noch innerhalb der Stadt, aber außer einem Stellplatz für Wohnmobile ist auf den Übersichtstafeln nichts zu entnehmen, was auf Camping hindeuten könnte. Auch die Einheimischen können keinen Tipp geben. Angesichts des Wetters sieht es heute wohl nach Hotel aus - zur Freude meiner Mitradler. Unterwegs war ein Hinweisschild zu sehen: "Hotel am See".

Hotel

Es entpuppt sich als das Gästehaus der Salzgitter AG und entspricht der 4 Sterne Kategorie. Mit unserem Outfit und Gepäck passen wir zwar nicht so recht in das Ambiente, aber dafür tragen wir wohl etwas bei der Rezeption zur Abwechslung bei. Wir nehmen die "billigste" Variante: Zweibettzimmer mit Zustellbett für schlappe 175 Euro. Das kann man nicht jeden Tag machen. ;-)

Endlich beginnt die letzte Etappe. Wir quälen uns erst einmal durch das ländliche Niedersachsen bis Hildesheim. Irgendwie ist heute die Luft heraus. Eigentlich wollten wir uns wenigstens den berühmnten 1000jährigen Rosenstock in Hildesheim ansehen, aber da müssten wir jetzt noch einmal quer durch die Stadt fahren. Es gibt nicht genug Befürworter.

Schild

Also nehmen wir direkten Kurs auf Hannover. Parallel zur B6 führt ein Radweg. Das ist landschaftlich zwar nicht gerade reizvoll, aber es ist die kürzeste Variante. Und dann kommt uns auch schon bald die Hannoveraner Straßenbahn entgegen, das Ortseingangsschild ist nicht mehr weit. Bis zur Colmarstrasse sind es noch ein paar Kilometer, doch irgendwann liegen auch die hinter uns. Angekommen, nach ca. 340 Radkilometern ist es geschafft.

Sülze

Jetzt haben wir einen Tag Zeit uns Hannover anzusehen. Eilenriede, Arbeitsstelle, Ricklinger Teiche, Maschsee, die Nanas, Neues Rathaus, Liegeradfahren bei Ulrich - das ist das Programm für den Freitag. Das alles lassen wir jetzt mal weg, sonst wird der Bericht zu lang. Abends gehen wir zusammen mit Frau Degen beim Italiener in Kirchrode essen. Damit geht die Tour dem Ende entgegen. An der Stelle herzlichen Dank an Frau Degen für die Gastfreundschaft, das weiche Bett und das gute Frühstück. Die Tour wird allen wohl ewig in Erinnerung bleiben.

Nach ca. 7 Stunden Bahnfahrt sind wir Sonntag 16:30Uhr wieder in Dresden und werden am Bahnhof mit Freude in Empfang genommen.

Das Fazit

Die altersmäßige Zusammensetzung unserer Mannschaft war schon etwas außergewöhnlich. Man lernt sehr schnell, dass man Kinder im Alter um die 12 nicht antreiben kann, wenn es darum geht jetzt endlich doch das Tagesziel zu erreichen. Und bloßes "In die Pedale treten", so wie das bei Tour d'Europe ab und an passiert, wenn die Zeit etwas drängt, das geht ja überhaupt nicht. Es muss immer irgendetwas beim Radfahren erzählt werden. Ziel war es ja, die Freude an Radtouren zu wecken, und insofern ist das schon alles in Ordnung. So kann es schon mal passieren - wenn gerade die Motivation etwas eingeschlafen ist - dass man auch von Fußgängern überholt wird. Ab und an beginnt manchmal das Lamentieren, aber 5 Minuten später kommt dann schon wieder ein Spruch der Art: "Wollen wir uns Gruselgeschichten erzählen?" :-)
Andererseits gab es auch ganz andere Phasen, wo 20km nonstop im Dauerregen ohne Klagen durchgezogen wurden. An der Stelle: Respekt, Respekt!! Auch habe ich mir manchmal etwas Sorgen gemacht wegen dem Energiehaushalt. Bei Tour d'Europe ist man es ja gewohnt während der Tour Unmengen an Kalorien in sich hineinzustopfen. Doch bei meinen Mitfahrern war immer schon recht bald Schluss, so dass ich mich doch etwas wundere, wie sie es so durchgestanden haben.

Route

Summa summarum: Es war abwechslungsreich, wir haben gut zusammengearbeitet, uns auch mal verkracht - ich habe mich sogar einmal zu dem Satz hinreißen lassen: "Das war die erste und letzte Tour, die ich mit euch gemacht habe". Aber das ist vergessen. Wir haben uns immer wieder vertragen und letztendlich Hannover erreicht. Vielleicht war ja etwas viel Bahnfahrt dabei, aber das würde ich zu 99% dem Wetter in die Schuhe schieben. Und die beste Bestätigung dafür, dass das Positive überwogen hat, ist wohl die Tatsache, dass für 2019 eine neue Tour im Gespräch ist - Zielort: Karlsruhe.

der Oldi